Der Entscheidung des OLG Brandenburg ist zuzustimmen.
1. Zustellungserfordernis
Gem. § 331 Abs. 3 ZPO wird bei Schlüssigkeit der Klage auf Antrag des Klägers gegen den Beklagten ohne mündliche Verhandlung ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren erlassen. Dabei wird die Verkündung des Urteils gem. § 310 Abs. 3 ZPO durch Zustellung von Amts wegen an beide Parteien ersetzt. Scheitert die Zustellung – wie hier an den Beklagten –, so entfaltet das Versäumnisurteil keinerlei Wirkung (Musielak/Stadler, ZPO, 20. Aufl., 2023, § 331 Rn 23). Zutreffend weist das OLG Brandenburg darauf hin, dass ersatzweise die Wirksamkeit des im schriftlichen Verfahren ergangenen Versäumnisurteils auch nicht dadurch erreicht werden kann, dass die Zustellung im Parteibetrieb erfolgt. Die fehlerhafte oder gescheiterte Zustellung des Versäumnisurteils hat deshalb zur Folge, dass das Urteil im Rechtssinne noch gar nicht existent ist. Folglich fehlt ihm jede Rechtswirkung. Es beendet weder die Instanz noch ist es vollstreckbar, noch kann es gem. § 103 Abs. 1 ZPO Grundlage der Kostenfestsetzung sein (OLG München IPRax 1988, 164 m. Anm. Hausmann; s. auch OLG Frankfurt NJW 1981, 291 LS).
Ebenso zutreffend weist das OLG Brandenburg darauf hin, dass Erleichterungen aufgrund der EuZustVO an dem Erfordernis der amtswegigen Zustellung nichts ändern können. Diese Erleichterungen sind nämlich nur dann einschlägig, wenn das Prozessrecht des Staates, in dem das entsprechende Urteil ergangen ist, für die vorliegende Fallgestaltung überhaupt eine Zustellung im Parteibetrieb voraussetzt oder zumindest erlaubt. Dies ist aber aufgrund der von Amts wegen zu erfolgenden Zustellung eines im schriftlichen Verfahren ergangenen Versäumnisurteils gerade nicht der Fall.
2. Verfahrensweise des Prozessbevollmächtigten
Der Kläger sollte gerade bei im Ausland ansässigen Beklagten überlegen, ob ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren sinnvoll ist. Denn der Kläger trägt das Risiko, dass das erwirkte Versäumnisurteil überhaupt rechtswirksam wird. Dies setzt voraus, dass die vom Prozessgericht von Amts wegen durchzuführende Zustellung im Ausland erfolgreich bewirkt werden kann. Scheitert die von Amts wegen veranlasste Zustellung, steht der Kläger mit leeren Händen dar. Er hält mit dem nicht zugestellten Versäumnisurteil ein Stück Papier in der Hand, mit dem er nichts anfangen kann, jedenfalls keine Zwangsvollstreckung und auch keine Kostenfestsetzung betreiben kann. Etwaige europarechtliche Erleichterungen der Zustellung im Parteibetrieb können dem Kläger dabei auch nicht weiterhelfen.
3. Alternative: Versäumnisurteil nach mündlicher Verhandlung
In solchen Fällen sollte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erwägen, ob er nicht lieber ein Versäumnisurteil aufgrund mündlicher Verhandlung erwirkt. Dieses wird gem. § 311 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Vorlesung der Urteilsformel verkündet und damit wirksam. Damit kann es auch gem. § 103 Abs. 1 ZPO Grundlage der Kostenfestsetzung sein, wobei der Klägervertreter auch überlegen sollte, ob er nicht beantragen sollte, den Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 105 Abs. 1 ZPO auf die vollstreckbare Ausfertigung setzen zu lassen. In diesem Fall ist dann nur ein Dokument im Parteibetriebe zuzustellen. Bei einer Zustellung im Ausland ist es ggf. erforderlich, dass das Versäumnisurteil durch eine kurze Begründung ergänzt wird (s. § 30 AVAG).
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 11/2023, S. 511 - 513