Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Derartige Entscheidungen des BAG über die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten sind in der Praxis nicht so häufig.
1. Kein Ausschluss der Kostenerstattung
Dies beruht darauf, dass gem. § 12a Abs. 1 ArbGG außergerichtliche Kosten in erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren grds. nicht zu erstatten sind. Für die außergerichtlichen Kosten im Berufungs- oder Revisionsverfahren greift dies deshalb nicht, weil die diese Verfahren betreffenden Vorschriften des § 64 Abs. 7 und 72 Abs. 6 ArbGG nicht auf § 12a Abs. 1 ArbGG verweisen. Deshalb gelten im arbeitsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren dieselben Grundsätze wie allgemein in einem ZPO-Verfahren.
2. Vertretung durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich notwendig
Zutreffend verweist das BAG, dass im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO aufgrund der Regelung in § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO grds. nicht zu prüfen ist, ob die Partei für das Verfahren einen Rechtsanwalt beauftragen durfte und dies objektiv notwendig war. Für die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten ist allein maßgeblich, ob eine verständige Prozesspartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Dies ist für einen Rechtsmittelgegner der Regelfall, gilt aber gleichermaßen auch für den Rechtsmittelführer, wie es hier der Kläger war (BAG AGS 2016, 98 = RVGreport 2016, 109 [Hansens]).
3. Überprüfung einzelner Maßnahmen des Rechtsanwalts
Andererseits hindert § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO nicht die Überprüfung im Kostenfestsetzungsverfahren, ob die einzelne Maßnahme des Prozessbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Dabei gilt als Prüfungsmaßstab, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte. Folglich ist auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation abzustellen und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Deshalb bestimmt sich die Notwendigkeit aus der "verobjektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht etwa nach einem rein objektiven Maßstab (BGH RVGreport 2018, 461 [Hansens] = zfs 2018, 705 m. Anm. Hansens; BGH AGS 2018, 251 = RVGreport 2018, 179 [Ders.] = zfs 2018, 344 m. Anm. Hansens).
4. Offensichtlich nutzlose Anwaltstätigkeit
In Anlegung dieser Grundsätze kann die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ausnahmsweise nur dann als nicht zweckentsprechend angesehen werden, wenn sie offensichtlich nutzlos ist. Solche Fälle sind in der Praxis relativ selten. Ein solcher Ausnahmefall kann bspw. dann vorliegen, wenn dem Rechtsmittelgegner gleichzeitig mit der Zustellung der Rechtsmittelschrift vom Rechtsmittelgericht mitgeteilt worden ist, dass aus formalen Gründen eine Verwerfung des Rechtsmittels ohne mündliche Verhandlung beabsichtigt sei. Hieraus folgt, dass für den Empfänger dieser Nachricht keine als Risiko empfundene Situation besteht (BAG AGS 2016, 98 = RVGreport 2016, 109 [Hansens]). Ebenso nutzlos ist die für den Rechtsmittelgegner entfaltete anwaltliche Tätigkeit in dem Fall, in dem das Gericht den Rechtsmittelführer darauf hingewiesen hat, dieser habe versäumt, sein Rechtsmittel in der dafür vorgesehenen Frist zu begründen und der Rechtsmittelführer hierzu weder Stellung genommen noch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat (s. BAG, Beschl. v. 15.3.2022 – 9 AZB 26/21, Rn 16).
Da hier kein Ausnahmefall vorgelegen hat, hat das BAG die Einschaltung des Prozessbevollmächtigten im Berufungsrechtzug nicht als nutzlos angesehen und damit dessen Kosten als erstattungsfähig behandelt.
5. Möglichkeit der unentgeltlichen Vertretung durch Arbeitnehmer-Vereinigung unschädlich
Dabei hat sich das BAG auch dazu geäußert, ob der Kläger erstattungsrechtlich verpflichtet gewesen wäre, sich auch im Berufungsrechtszug unentgeltlich durch die DGB Rechtsschutz GmbH vertreten zu lassen. Nicht ausdrücklich geäußert hat sich das BAG dazu, dass sich der Kläger in den beiden Verhandlungsterminen vor dem LAG Hamm sowohl durch seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten als auch durch einen Vertreter der DGB Rechtsschutz GmbH hat vertreten lassen. Dies ändert aber an der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten des Klägers nichts. War nämlich die Einschaltung des Rechtsanwalts am 19.7.2021 aus der "verobjektivierten" Sicht des Klägers notwendig, konnte diese Notwendigkeit durch die weitere Tätigkeit eines Vertreters der DGB Rechtsschutz GmbH nicht nachträglich wieder entfallen. I.Ü. war der Vertreter der DGB Rechtsschutz GmbH für den Kläger auch im Berufungsrechtszug unentgeltlich tätig geworden, sodass ihm hierdurch keine weiteren Kosten angefallen sind. Zu Recht hat das BAG darauf hingewiesen, dass die Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO keine Anwendung findet. Dies beruht einmal auf dem Umstand, dass sich der Kläger im Berufungsverfah...