Sofern die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren des Beklagten i.H.v. 984,60 EUR netto überhaupt angefallen sein sollten, führen sie zu einem entsprechenden Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers, der gem. § 86 Abs. 1 VVG infolge Zahlung auf die Klägerin übergegangen ist.
1. Außergerichtliche Vertretung war erkennbar aussichtslos
Das Gericht erachtet die Auffassung der Klägerin, dass jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Herausgabe der Pressemitteilung der Volkswagen AG vom 12.9.2018 mit einem Erfolg eines außergerichtlichen Tätigwerdens nicht mehr gerechnet werden konnte, als vertretbar und schließt sich dieser Auffassung an. Wenn sich der Kfz-Hersteller öffentlich auf den Standpunkt stellt, dass es für die Klagen von Kunden wegen der Diesel-Thematik in Deutschland keine Rechtsgrundlage gebe, kann es keinen Sinn ergeben, ein allgemein gehaltenes Schreiben, in dem nicht einmal ein konkreter Betrag sondern das Anerkenntnis einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gefordert wird, zu versenden. Dass die Volkswagen AG ein solches Anerkenntnis auf jenes Schreiben hin abgeben würde, lag zu dem Zeitpunkt ersichtlich außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit.
Die Ausführungen des LG München I vom 18.7.2023 (4 O 8089/22) zur vorgerichtlichen Zahlungsbereitschaft der Porsche AG und der entsprechenden Erforderlichkeit und Zweckdienlichkeit außergerichtlicher Geltendmachung von Ansprüchen durch Rechtsanwälte lassen sich hier ohne Weiteres übertragen.
Das Gericht teilt die Vermutung, dass die Entscheidungen der OLG, die in der Klageerwiderung zitiert sind, sich auf außergerichtliche Tätigkeit vor dem 12.9.2018 beziehen, oder jedenfalls keine vertiefte Prüfung stattgefunden hat, wenngleich dies im Einzelnen schwierig nachzuvollziehen ist, da die Entscheidungen nur teilweise veröffentlicht und der Klageerwiderung nicht beigefügt sind. Veröffentlicht ist bspw. das Urt. des OLG Hamm v. 20.3.2020 (19 U 294/1). Dort wird zwar eine nicht näher spezifizierte "Presseberichterstattung" erwähnt, jedoch die Presseerklärung der Volkswagen AG vom 12.9.2018 nicht konkret angesprochen, obwohl dies zu erwarten wäre, wenn sie schon vorgelegen hätte. Soweit der Beklagte selbst dann in seiner Klageerwiderung aus einer Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 16.9.2020 – I-18 U 312 U 312/19, zitiert, wird von einem Sachverhalt ausgegangen, bei dem "die Beklagte (...) auch nicht erkennbar zahlungsunwillig" war, was letztlich nur den Rückschluss gestattet, dass der öffentlich mit der Presseerklärung vom 12.9.2018 eingenommene Standpunkt der Volkswagen AG noch nicht bekannt gewesen sein kann. Denn in Kenntnis dessen könnte schlicht nicht ernsthaft behauptet werden, dass "die Beklagte (...) auch nicht erkennbar zahlungsunwillig" gewesen sei.
2. Keine Belehrung erfolgt
Auf den Vorwurf der unvollständigen oder falschen Beratung geht der Beklagte in seiner Klageerwiderung nicht weiter ein. Es gilt somit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig, dass die Frage der Erfolgsaussicht kein Gegenstand der Beratung war. Ebenso wenig wird bestritten, dass der Versicherungsnehmer den Auftrag bei zutreffender Beratung nicht erteilt hätte. Der Beklagte hätte den Versicherungsnehmer auf den eingenommenen Standpunkt der Volkswagen AG hinweisen und von der vorgerichtlichen Tätigkeit abraten müssen. Dass der Versicherungsnehmer von einer entsprechenden Auftragserteilung dann abgesehen hätte, ist auch vor dem Hintergrund wahrscheinlich, dass er eben auch darauf hingewiesen hätte werden müssen, eine trotz Aussichtslosigkeit gewünschte anwaltliche Tätigkeit ggf. selbst finanzieren zu müssen, mangels "Erforderlichkeit" i.S.d. § 125 VVG.
3. Verschulden wird vermutet erfolgt
Den Beklagten trifft hier ein Verschulden zumindest in Form der einfachen Fahrlässigkeit. Der dargestellte Geschehensablauf deutet darauf hin, dass die infolge der nicht veranlassten vorgerichtlichen Tätigkeit entstandenen Gebühren für den Beklagten vorhersehbar und vermeidbar waren.