GKG §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 2
Leitsatz
Im Verfahren der einstweiligen Verfügung beginnt die Beschwerdefrist nach §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung zu laufen.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.1.2011 – 4 W 123/10
1 Aus den Gründen
Die Streitwertbeschwerde der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet.
Entgegen der Ansicht des LG ist die Streitwertbeschwerde nicht verfristet. Auf den gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es daher nicht an.
Nach §§ 68 Abs. 1 S. 3; 63 Abs. 3 S. 2 GKG ist eine Beschwerde mit dem Ziel der Änderung des Streitwerts binnen sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. In Eilverfahren wie dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren beginnt die Frist nicht vor Rechtskraft der Hauptsache zu laufen (OLG Hamburg, Beschl. v. 19.10.2010 – 3 W 89/10 m. w. Nachw.; Hartmann KostG, 40. Aufl., § 63 GKG Rn 53 m. w. Nachw.). Die Hauptsacheentscheidung zum vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren ist durch das Urteil des Senats vom 28.10.2010 getroffen geworden. Die Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG begann somit erst an diesem Tag (OLG Hamburg a.a.O.; Hartmann a.a.O.) und nicht mit der Beendigung des einstweiligen Verfügungsverfahrens durch den Vergleich vom 10.2.2009. Die Streitwertbeschwerde vom 28.12.2010 ist daher rechtzeitig eingelegt worden.
2 Anmerkung
Ich halte die Entscheidungen des OLG Zweibrücken und des OLG Hamburg für unzutreffend.
Mit der "Hauptsache" i.S.d. § 63 GKG ist der Hauptgegenstand des Verfahrens gemeint. Dieser Begriff ist als Abgrenzung zur Nebensache oder zu Nebenverfahren gemeint. Das Gesetz will damit zum Ausdruck bringen, dass noch ausstehende Entscheidungen in Nebenverfahren wie z.B. Kostenfestsetzung oder Kostenansatz für die Berechnung der Abänderungs- und Beschwerdefrist unerheblich sind. Keineswegs ist damit die Abgrenzung gegenüber Eilverfahren gemeint, jedenfalls dann nicht, wenn sie – wie hier – selbstständig sind.
Soweit hier auf ältere Rspr. zu Familiensachen verwiesen wird, können diese nicht auf die jetzige Rechtslage übertragen werden, da einstweilige Anordnungen in Familiensachen früher Teil des Hauptsacheverfahrens waren. Nach der derzeitigen Regelung sind aber sämtliche Eilverfahren – auch in Familiensachen – eigene selbstständige Verfahren, sodass die Frist zur Streitabänderung und Beschwerde auch für jedes Verfahren gesondert zu berechnen ist.
Auch die zitierten Kommentarstellen belegen nicht die Auffassung der beiden Oberlandesgerichte. Die Kommentierung in Hartmann, KostG, § 63 Nr. 53 ist unklar. Meyer wiederum vertritt die gegenteilige Auffassung, nämlich dass die Frist für das einstweilige Verfügungsverfahren gesondert, also unabhängig von der Frist des Hauptsacheverfahrens läuft. Ebenso hatte bereits das BVerwG entschieden.
Norbert Schneider