BGB §§ 242, 280 RVG §§ 10, 34
Leitsatz
- Ein Rechtsanwalt ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Mandanten ungefragt über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung aufzuklären, wenn diese das vom Mandanten verfolgte Ziel (hier: Erlass bzw. Ermäßigung einer Schadensersatzforderung aufgrund einer urheberrechtlichen Abmahnung) wirtschaftlich sinnlos erscheinen lässt, weil die Kosten der anwaltlichen Vertretung (hier: 2.562,90 EUR) in einem krassen Missverhältnis zu dem erreichbaren wirtschaftlichen Vorteil (hier: bestenfalls 750,00 EUR) stehen (Anschluss BGH NJW 2007, 2332 [= AGS 2007, 386]).
- Die Mitteilung eines Kostenrahmens (hier: von 226,00 EUR bis 2.600,00 EUR) stellt keine ausreichende Aufklärung dar, wenn bei Beauftragung des Rechtsanwalts die Höhe der Vergütung aufgrund einer Vergütungsvereinbarung bereits feststeht.
LG Duisburg, Urt. v. 12.10.2012 – 7 S 51/12
1 Aus den Gründen
Die Klägerin hat gem. §§ 611, 612, 398 BGB i.V.m. § 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 3 RVG, Nr. 7008 VV einen Anspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung einer Erstberatungsgebühr in Höhe von 190,00 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer, mithin insgesamt in Höhe von 226,10 EUR.
Entgegen der Auffassung des AG berührt die inhaltliche Unrichtigkeit der mitgeteilten Vergütungsberechnung nicht die Wirksamkeit der Mitteilung nach § 10 RVG; der Auftraggeber ist allerdings nur zur Zahlung der wirklich entstandenen Gebühren verpflichtet (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 10 Rn 15; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 10 Rn 35). Dementsprechend ist auch die von der Klägerin vorgelegte Abtretungsurkunde dahingehend auszulegen, dass sie den tatsächlich entstandenen Vergütungsanspruch umfasst, auch wenn dieser niedriger ist als von der Zedentin berechnet.
Ein weitergehender Vergütungsanspruch der Zedentin ist aus den vom AG zutreffend dargestellten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen wird, nicht entstanden. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt insoweit keine andere Beurteilung, sondern gibt lediglich Anlass zu den folgenden Ergänzungen.
Die Kammer teilt die Auffassung des AG, dass die Höhe der Gebühren, die die Beklagte nach der von der Zedentin vorformulierten Vergütungsvereinbarung zu zahlen hatte, das von ihr verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos machte – mit der Folge, dass die Zedentin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise verpflichtet war, die Beklagte ungefragt über die voraussichtliche Höhe ihrer Vergütung aufzuklären (vgl. BGH NJW 2007, 2332 [= AGS 2007, 386]). Der Berufung ist zuzugestehen, dass die rechtliche Prüfung des mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs sowie der Rechtsfolgen, die sich aus der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung ergeben, für die Beklagte von Interesse und insoweit auch von wirtschaftlichem Wert war. Insoweit hätte es der Zedentin freigestanden, mit der Beklagten gem. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG eine angemessene Vergütung zu vereinbaren. Die in der Vergütungsvereinbarung vereinbarte und berechnete Vergütung nach Maßgabe der §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV betrifft jedoch nicht die rechtliche Prüfung, sondern die außergerichtliche Vertretung der Beklagten gegenüber dem Anspruchsteller. Dass diese für die Beklagte aufgrund des krassen Missverhältnisses zwischen dem wirtschaftlichen Vorteil (bestenfalls Erlass der Schadensersatzforderung in Höhe von 750,00 EUR) und den hierfür aufzuwendenden Kosten (Geschäftsgebühr in Höhe von 2.562,90 EUR) wirtschaftlich sinnlos war, wird selbst in der Berufungsbegründung nicht bezweifelt. In der von der Zedentin (um-)formulierten Unterlassungserklärung kann die Kammer keinen wirtschaftlichen Vorteil erkennen, da sie – abgesehen von der formularmäßigen, rechtlich aber im Ergebnis bedeutungslosen Einschränkung, dass die Verpflichtung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage und unter der auflösenden Bedingung einer auf Gesetz oder höchstrichterlicher Rspr. beruhenden Klärung des zu unterlassenden Verhaltens als rechtmäßig" erfolge – dem Inhalt der vom Anspruchsteller vorformulierten Erklärung entspricht.
Die Kammer teilt auch die Auffassung des AG, dass die Zedentin ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist. Die in dem Anschreiben vom 14.3.2011 enthaltene Mitteilung eines Kostenrahmens von "maximal bis ca. 2.600,00 EUR, minimal ca. 226,00 EUR (Erstberatung)" hat das AG zu Recht als nicht ausreichend angesehen, weil hierdurch der unzutreffende Eindruck erweckt wurde, die Kosten der Beauftragung würden sich möglicherweise in einer Summe von 226,00 EUR erschöpfen, obwohl nach dem Inhalt der Vergütungsvereinbarung bereits feststand, dass die Geschäftsgebühr 2.562,90 EUR betragen würde. Dies gilt erst recht im Zusammenhang mit dem unmittelbar davor stehenden Hinweis, dass die Beklagte mit dem vorgeschlagenen Procedere "wirtschaftlich gesehen [...] die geringsten Risiken" eingehe, und dem Hinweis in den Erläuterungen zur Vergütungsvereinbarung, dass die Kosten...