1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in JurBüro 2010, 255 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Rechtspflegerin habe zu Unrecht eine 1,1-Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren gem. den Nrn. 3200, 3201 VV zugunsten des Beklagten festgesetzt. Es bestünden bereits erhebliche Zweifel, ob dem Beklagtenvertreter für das Berufungsverfahren ein Vertretungsauftrag erteilt worden sei. Obwohl die Klägerin dies mehrfach bestritten habe, sei die Mandatierung nicht glaubhaft gemacht worden. Auf diese Frage komme es jedoch nicht an, weil jedenfalls eine die Entstehung der Verfahrensgebühr rechtfertigende Tätigkeit der Beklagtenvertreter im Berufungsverfahren nicht dargelegt worden sei. Ohne einen entsprechenden Sachvortrag könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Prozessbevollmächtigten des Beklagten nach Entgegennahme der Berufungsschrift geprüft hätten, ob etwas für ihren Mandanten zu veranlassen gewesen sei. Diese Unterstellung entspreche bei einem noch nicht begründeten Rechtsmittel keineswegs der Lebenserfahrung. Dies gelte umso weniger, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelführers ausdrücklich schriftlich mitgeteilt habe, die Berufung sei nur zur Fristwahrung eingelegt worden.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

Die Klägerin hat nach der Kostengrundentscheidung des Berufungsgerichts die dem Beklagten im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu tragen. Allerdings besteht der Kostenerstattungsanspruch gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nur insoweit, wie dem Beklagten Kosten entstanden sind. Voraussetzung ist mithin, dass er seinem Prozessbevollmächtigten zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist. Dies richtet sich – sofern er die Prozessbevollmächtigten beauftragt hat, ihn im Berufungsverfahren zu vertreten – nach den Vorschriften des RVG.

a) Da das Beschwerdegericht offen gelassen hat, ob der Beklagte seine erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit der Vertretung im Berufungsverfahren beauftragt hat, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von der Erteilung eines solchen Mandats auszugehen, auch wenn das Beschwerdegericht wegen der nur pauschalen Behauptung der Mandatierung Zweifel geäußert hat. Doch genügt es für das Entstehen des anwaltlichen Honoraranspruchs nicht, dass der Beklagte seine Prozessbevollmächtigten beauftragt hat, ihn in einem Berufungsverfahren zu vertreten. Diese müssten im Berufungsverfahren eine gesondert zu vergütende Tätigkeit verrichtet haben.

b) Zutreffend hat das Beschwerdegericht entschieden, dass die Prozessbevollmächtigten des Beklagten keine die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV auslösende anwaltliche Tätigkeit entfaltet haben.

aa) Nach § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. In gerichtlichen Verfahren kann er die Gebühren in jedem Rechtszug fordern (§ 15 Abs. 2 S. 2 RVG). Zum jeweiligen Rechtszug gehören dabei auch Neben- und Abwicklungstätigkeiten (§ 19 Abs. 1 S. 1 RVG). In § 19 Abs. 1 S. 2 RVG hat der Gesetzgeber anhand von Regelbeispielen Tätigkeiten aufgeführt, die er als zum Rechtszug gehörig ansieht. Nach Nr. 9 dieser Bestimmung gehört dazu auch die Inempfangnahme von Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber (BAG NJW 2008, 1340). Dazu ist auch zu zählen die Entgegennahme und Weiterleitung der Bitte eines Rechtsmittelführers, dass die Gegenseite noch keinen Prozessbevollmächtigten bestellen möge (KG JurBüro 1979, 388; Hansens, NJW 1992, 1148; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., § 19 Rn 87).

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV entsteht, wenn der Rechtsanwalt in irgendeiner Weise über die genannten Neben- und Abwicklungstätigkeiten hinaus im Rahmen der Erfüllung seines Prozessauftrags tätig geworden ist. Eines nach außen erkennbaren Tätigwerdens bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, NJW 2005, 2233 [= AGS 2005, 413]); es genügt das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information des Mandanten (OLG Naumburg JurBüro 2012, 312 [= AGkompakt 2012, 56]; vgl. OLG Frankfurt zfs 2010, 405 [= AGkompakt 2011, 50]). Der Rechtsanwalt hat die Gebühr verdient, wenn er Informationen entgegennimmt oder mit seinem Mandanten bespricht, wie er auf das von der Gegenseite eingelegte Rechtsmittel reagieren soll. Auch die interne Prüfung, ob ein Mandant sich gegen das eingelegte Rechtsmittel wehren soll, lässt die Verfahrensgebühr entstehen (BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZB 223/06, NJW 2008, 1087 [= AGS 2008, 155]; vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., VV 3200 Rn 16 ff.).

bb) Einen Sachverhalt, der das Entstehen der Verfahrensgebühr nach Nrn. 3200, 3201 VV begründen könnte, hat das Beschwerdegericht verfahrensfehlerfrei nicht feststellen können. Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten haben lediglich die Berufungsschrift und gleichzeitig ein persönliches Schreiben der Klägervertreter an sie entgegengenommen, in dem darauf hingewiesen worden...

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