ZPO §§ 126, 91 Abs. 4
Leitsatz
Wird in einem höheren Rechtszug die Kostengrundentscheidung aufgehoben oder abgeändert, kann die letztlich obsiegende Partei die Rückfestsetzung der an den ihrem Prozessgegner im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt bezahlten Gebühren und Auslagen, die dieser nach § 126 Abs. 1 ZPO im eigenen Namen beigetrieben hat, verlangen.
OLG München, Beschl. v. 5.12.2012 – 11 W 2075/12
1 Sachverhalt
Das LG hatte dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm den Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Das LG hat die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf Antrag des dem Beklagten im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts hat der Rechtspfleger die von der Klagepartei an diesen nach § 126 ZPO zu erstattenden Kosten auf 993,65 EUR festgesetzt.
Das OLG hat auf die Berufung des Klägers das Ersturteil abgeändert und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Kläger hat daraufhin die Rückfestsetzung des bezahlten Betrags von 993,65 EUR beantragt. Der Rechtspfleger hat mit Rück-Kostenfestsetzungsbeschluss die Zahlung des genannten Betrags seitens der Beklagtenpartei an die Klagepartei angeordnet. Auf den Hinweis des Klägers, dass sich der Antrag auf Rückfestsetzung gegen den Beschwerdeführer gerichtet habe, hat der Rechtspfleger den Rück-Kostenfestsetzungsbeschluss von Amts wegen dahin berichtigt, dass die vom Beschwerdeführer an die Klagepartei zu erstattenden Kosten auf 993,65 EUR festgesetzt worden sind.
Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, eine Rückfestsetzung gegen ihn sei mangels Anwendbarkeit des § 91 Abs. 4 ZPO nicht möglich. Dieser sei nämlich nicht Partei des vorliegenden Rechtsstreits. Die ursprüngliche Festsetzung beruhe auf § 126 ZPO, der dem beigeordneten Rechtsanwalt das Recht gebe, die zugunsten des Beklagten ergangene Kostengrundentscheidung im eigenen Namen geltend zu machen. Zudem sei der Kläger durch die Festsetzung nach § 126 ZPO nicht schlechter gestellt worden, als dies bei einer Entscheidung gem. § 104 ZPO der Fall gewesen wäre. Im Hinblick auf eine beim BGH anhängige Rechtsbeschwerde hat der Beschwerdeführer angeregt, das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung über die besagte Rechtsbeschwerde zurückzustellen.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Rückfestsetzung gegen den beigeordneten Rechtsanwalt ist nicht zu beanstanden.
1. Der Kläger hat unbestritten den mit dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten des Rechtsanwalts festgesetzten Betrag von 993,65 EUR an diesen bezahlt. Der für den Beklagten bestellte Rechtsanwalt hatte von seinem Recht aus § 126 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht, seine gesetzliche Wahlanwaltsvergütung gem. § 13 RVG (vgl. hierzu Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 126 Rn 1 und Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 126 Rn 1) abzüglich des von der Staatskasse ausbezahlten Betrags von 879,65 EUR von dem in erster Instanz in die Prozesskosten verurteilten Beklagten im eigenen Namen beizutreiben.
2. Seinem Wortlaut nach ermöglicht § 91 Abs. 4 ZPO eine Rückfestsetzung zwar nur hinsichtlich der Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlauf des Rechtsstreits gezahlt hat. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist aber bei der hier gegebenen Fallkonstellation eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift geboten.
a) Eine Rückfestsetzung kommt im Regelfall dann in Betracht, wenn die Kostengrundentscheidung in einem Rechtsmittelverfahren aufgehoben oder geändert worden ist mit der Folge, dass die Grundlage für die ursprüngliche Kostenfestsetzung nachträglich entfallen ist (Hansens, Anm. zum Beschl. d. OLG Hamburg v. 31.8.2011 – 8 W 26/11, RVGreport 2012, 117 [= AGS 2012, 79]). Mit der Einführung des § 91 Abs. 4 ZPO wollte der Gesetzgeber entsprechend einer bereits bestehenden gerichtlichen Praxis die Rückfestsetzung unstreitig im Verlauf des Rechtsstreits erfolgter Zahlungen im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren ermöglichen, um so die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gem. § 717 Abs. 2 ZPO in einem gesonderten Verfahren zu vermeiden.
b) Wenn der Rechtsanwalt sein Beitreibungsrecht nach § 126 Abs. 1 ZPO ausübt, handelt er im Rahmen einer gesetzlichen Prozessstandschaft und wird selbst Partei des Kostenfestsetzungsverfahrens (BGH NJW-RR 2007, 1147 = MDR 2007, 918 = FamRZ 2007, 710; OLG Hamburg, Beschl. v. 31.8.2011 – 8 W 26/11, AGS 2012, 79 = JurBüro 2012, 146 = FamRZ 2012, 736; Hansens, a.a.O.). Dabei stützt sich der beigeordnete Rechtsanwalt auf eine Kostengrundentscheidung, die zugunsten der Partei ergangen ist und folglich auf diese lautet. Im Ergebnis bedeutet somit eine Zahlung des Prozessgegners auf den vom Rechtsanwalt erwirkten Kostenfestsetzungsbeschluss auch eine Leistung an die zunächst obsiegende und später unterlegene Partei, der die Kostenforderung trotz des Beitreibungsrechts des Anwalts weiterhin zusteht (BGH und OLG Ham...