Nach § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG kann sich die erstattungspflichtige Partei auf die Anrechnung einer beim erstattungsberechtigten Gegner entstandenen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr berufen, wenn über die Geschäftsgebühr ein gegen sie gerichteter Vollstreckungstitel besteht.
Ein solcher Vollstreckungstitel i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG kann auch ein gerichtlicher Vergleich sein (siehe § 794 Abs. 1 S. 1 ZPO); jedoch muss sich dann aus dem Vergleich eindeutig ergeben,
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dass die Geschäftsgebühr in der Gesamtvergleichssumme tituliert sein soll und |
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in welchem Umfang die Geschäftsgebühr tituliert sein soll. |
Die beiden vorgenannten Erfordernisse müssen sich nicht ausdrücklich aus dem Vergleich ergeben; es genügt, wenn dies aus den Umständen des Einzelfalls und der Auslegung des Vergleichs folgt. Sind jedoch zu wenige Anhaltspunkte für eine solche Auslegung vorhanden, scheidet eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren aus.
Hinreichende Anknüpfungspunkte für eine Anrechnung hat die Rspr. bisher in zwei Fällen angenommen:
In einem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hatten sich die Parteien dahingehend verglichen, dass ein Betrag in Höhe von 3.600,00 EUR zum Ausgleich gezahlt werde, und zwar "einschließlich von Ziffer 4) der Klageforderung". Ziffer 4 der Klageforderung war der mit eingeklagte Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr in Höhe von brutto 1.196,43 EUR. Damit ergab sich also eindeutig die erste Voraussetzung, nämlich dass die Geschäftsgebühr in der Gesamtvergleichssumme mit tituliert sein sollte. Es fehlte allerdings die zweite Voraussetzung, dass sich auch der Umfang der Titulierung ergab. Das OLG Koblenz ist in der zitierten Entscheidung offenbar davon ausgegangen, der Gesamtbetrag von 1.196,43 EUR sei in der Vergleichssumme enthalten, und hat ihn in der Kostenfestsetzung hälftig angerechnet.
Im Fall des OLG Düsseldorf war eine Hauptforderung i.H.v. 40.400,00 EUR eingeklagt sowie eine 2,0-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer in Höhe von 2.341,92 EUR. Die Parteien hatten sich sodann auf eine Zahlung von 36.360,00 EUR sowie 2.107,73 EUR mit einer Kostenquotierung von 90:10 verglichen. Hier ergab sich, dass die 36.360,00 EUR genau 90 % der Klageforderung ausmachten und die weiteren 2.107,73 EUR genau 90 % der Kostenforderung. Konsequenterweise hat das OLG Düsseldorf daher 90 % einer 0,75-Geschäftsgebühr in der Kostenfestsetzung angerechnet.
Wichtig
Soll die Geschäftsgebühr in die Gesamtvergleichssumme miteinfließen, dann ist unbedingt darauf zu achten, dass dies im Vergleich ausdrücklich klargestellt wird, um jeglichen Zweifel zu vermeiden. Der Anwalt sollte sich nicht auf eine ungewisse Auslegung des Vergleichs verlassen.
Norbert Schneider
AGS 1/2014, S. 43 - 44