Leitsatz
- Das Textformerfordernis nach § 3a Abs. 1 S. 1 RVG hat einerseits eine Schutz- und Warnfunktion für den Mandanten. Andererseits erleichtert es dem Rechtsanwalt, den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nachzuweisen. Diese Funktionen kann die Vergütungsvereinbarung nur dann erfüllen, wenn sie ausreichend bestimmt ist. Bei einer Vergütungsvereinbarung muss eindeutig feststehen, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber eine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll. Eine pauschale Bezeichnung der anwaltlichen Tätigkeit lässt nicht den Schluss zu, dass die Vergütungsvereinbarung ohne jede zeitliche Beschränkung auch für alle zukünftigen Mandate gelten soll.
- Zur Angemessenheit eines Stundensatzes von 300,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer für die anwaltliche Tätigkeit.
- Die Abrechnung eines anwaltlichen Zeithonorars im 15-Minuten-Takt erfordert eine entsprechende Vereinbarung.
- Der fehlende Hinweis auf die eingeschränkte Kostenerstattung führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.8.2014 – 2 U 2/14
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, von der Klägerin gezahltes Anwaltshonorar zurückzuzahlen.
Die Beklagte ist eine Rechtsanwaltssozietät. Am 15.6.2011 suchte die Klägerin die Kanzlei der Beklagten auf, um deren anwaltliche Tätigkeit in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin, die ebenso wie ihr Ehemann italienische Staatsangehörige ist, hatte sich zuvor von ihrem Ehemann getrennt. Aus der Ehe war eine minderjährige Tochter hervorgegangen. Im Zusammenhang mit der Trennung war es zu Gewalttätigkeiten des Ehemannes gekommen.
Die Klägerin beauftragte die Beklagte zunächst mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in den Verfahren "Ehescheidung", "Trennung nach italienischem Recht" und "elterliche Sorge", wobei die Beklagte entsprechende Anträge gerichtlich geltend machen sollte.
Im Rahmen der ersten und einzigen Besprechung am 15.6.2011 unterzeichnete die Klägerin eine Vergütungsvereinbarung. Im Betreff dieser Vereinbarung wird angegeben: "wegen deutsch-italienischem Recht". Die Vereinbarung sieht unter Nr. 1 vor, dass für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit in obiger Rechtssache anstelle der gesetzlichen Gebühren eine Stundenvergütung in Höhe von 300,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer vereinbart wird. Unter Nr. 4 der Vereinbarung findet sich ein Hinweis darauf, dass mit dieser Vergütungsvereinbarung von gesetzlichen Gebühren nach dem RVG abgewichen wird.
Die Beklagte ist darüber hinaus noch in zwei Gewaltschutzverfahren zum Schutze der Klägerin und deren Tochter und in einem gegen den Ehemann gerichteten Privatklageverfahren tätig geworden. Die Beklagte fertigte verschiedene Antragsentwürfe in den oben genannten Verfahren; tatsächlich wurde jedoch kein einziger Antrag bei Gericht eingereicht.
Unter dem 20.4.2012 rechnete die Beklagte ihre Vergütung für ihre außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit auf Stundenbasis wie folgt ab:
Sorgerecht: |
4,75 Stunden |
1.719,55 EUR |
Trennung: |
15,25 Stunden |
5.468,05 EUR |
Anruf 6.7.2011 + 7.7.2011 |
0,50 Stunden |
202,30 EUR |
Annäherungsverbot Klägerin |
6,00 Stunden |
2.165,80 EUR |
Annäherungsverbot Tochter |
1,50 Stunden |
559,30 EUR |
Privatklage |
7,50 Stunden |
2.701,30 EUR |
|
|
12.816,30 EUR |
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie der Beklagten Anwaltshonorar nur in Höhe der gesetzlichen Vergütung schulde.
Sie hat vorgetragen, dass die Beklagte gegen ihre Aufklärungspflicht verstoßen habe. Die Beklagte habe sie nicht darüber informiert, dass im Erstattungsfalle von der Gegenseite, der Staatskasse oder einem sonstigen Beteiligten Erstattung nur in Höhe der gesetzlichen Gebühren gefordert werden könne. Da ihr Ehemann vermögenslos sei, sei lediglich klar gewesen, dass sie zunächst die Kosten zu tragen habe.
Sie sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzliche Vergütung bei Weitem übersteige. Bei der Erstberatung sei zwar eine Summe von 10.000,00 EUR in den Raum gestellt worden; ihr sei jedoch ausdrücklich erklärt worden, dass diese Summe anfallen würde, wenn die verschiedenen Verfahren bis zum Ende durchgeführt werden würden. Die Beklagte schulde ihr aufgrund der Pflichtverletzung Schadensersatz gem. §§ 276 Abs. 2, 280 BGB.
Das von der Beklagten geforderte Honorar übersteige das gesetzliche um ein Vielfaches. Die Differenz der Gebühren belaufe sich auf 11.286,19 EUR. Die Vergütung sei unangemessen hoch; es habe sich um einen Standardfall gehandelt.
Die von der Beklagten in Rechnung gestellten Tätigkeiten und Stunden seien nicht ausreichend und in nachvollziehbarer Weise dargelegt worden. Der abgerechnete Zeitaufwand von mehr als 40 Stunden stehe völlig außer Verhältnis zu Schwierigkeit und Umfang der Angelegenheit. Die Beklagte habe einige Telefonate geführt, drei sehr allgemein gehaltene Entwürfe gefertigt, wobei Mustertexte verwandt worden seien, und es habe nur einen Besprechungstermin gegeben. Es habe mit ihr nur 4 bis 5 Telefonanrufe gegeben, die lediglich 5 bis 10 Minuten gedauert hätten.
Am 6.7.20...