Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr[1] wurde mit Wirkung v. 29.7.2014 u.a. die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB eingefügt. Mit der Neuregelung ist der deutsche Gesetzgeber – freilich erst deutlich nach Ablauf der Umsetzungsfrist, die am 16.3.2013 geendet hatte – seiner Pflicht zur Umsetzung der neuen EU-Zahlungsverzugsrichtlinie von 2011 (ZVRL 2011)[2] nachgekommen. Die ZVRL 2011 hat die alte Zahlungsverzugsrichtlinie aus dem Jahr 2000 (ZVRL 2000)[3] ersetzt und ergänzt, die in Deutschland durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts[4] umgesetzt worden war.

Grund für den Erlass der neuen ZVRL 2011 war die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 22.9.2010,[5] der auf eine nach wie vor bestehende "Kultur des Zahlungsverzugs" hinwies, die schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Folgen innerhalb des europäischen Binnenmarktes habe. So sei jede vierte Unternehmensinsolvenz Folge eines Zahlungsverzugs, was wiederum jährlich den Verlust von 450.000 Arbeitsplätzen in der gesamten EU nach sich ziehe. Allein im Jahr 2009 habe EU-weit ein Betrag von schätzungsweise 270 Mrd. EUR für ausstehende Rechnungen nicht eingezogen werden können. Das mit der ZVRL 2000 verfolgte Ziel, die Zahlungsbereitschaft im Geschäftsverkehr zu erhöhen und Zahlungen zu beschleunigen, ist mithin nur unvollkommen erreicht worden. Mit der Neufassung der ZVRL im Jahr 2011 sollten die Unzulänglichkeiten der ZVRL 2000 behoben und endlich ein Wandel hin zu einer "Kultur der unverzüglichen Zahlung"[6] vollzogen werden.

Eine wichtige Neuerung im Vergleich zur alten ZVRL 2000 besteht darin, dass die ZVRL 2011 in Art. 6 Abs. 1, 2 einen Anspruch des Gläubigers i.H.v. mindestens 40,00 EUR wegen der durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten vorschreibt. Im Einklang mit den diesbezüglichen Vorgaben der ZVRL 2011 legt § 288 Abs. 5 S. 1 BGB nunmehr eine Verzugspauschale von 40,00 EUR fest. Art. 6 Abs. 3 ZVRL 2011 bestimmt, dass der Gläubiger zusätzlich zur Pauschale einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller Beitreibungskosten hat, die diesen Pauschalbetrag überschreiten, namentlich der Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens mit der Geltendmachung der Forderung. Nach deutschem Recht können derartige Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersatzfähig sein. Im Zuge der Umsetzung der ZVRL 2011 hat der deutsche Gesetzgeber freilich in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB eine Anrechnungslösung gewählt; danach ist "die Pauschale … auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist." Entstehen dem Gläubiger durch die Rechtsverfolgung Kosten, die über den in § 288 Abs. 5 S. 1 BGB festgelegten Pauschalbetrag von 40,00 EUR hinausgehen, so wird die Pauschale nach der deutschen Regelung vollständig aufgezehrt.

Angesichts des Wortlauts des Art. 6 Abs. 3 ZVRL 2011 erscheint zweifelhaft, ob diese Rechtsfolge dem Willen des europäischen Gesetzgebers entspricht. Die bisherige Rspr. der Instanzgerichte ist uneinheitlich; das AG München[7] und das LAG Köln[8] gehen von der Richtlinienkonformität des § 288 Abs. 5 BGB aus, wohingegen diese vom AG Aachen angezweifelt wird.[9] Der vorliegende Beitrag erörtert die Rechtsfragen, die sich in Bezug auf die neue Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB stellen. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, ob die vom deutschen Gesetzgeber in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB gewählte Anrechnungslösung richtlinienkonform ist.

[1] Gesetz v. 22.7.2014, BGBl I 2014, 1218.
[2] Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Neufassung), ABl EU Nr. L 48 v. 23.2.2011, 1.
[3] Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl EG Nr. L 200 v. 8.8.2000, 35.
[4] Gesetz v. 26.11.2001, BGBl I 2001, 3138.
[5] ABl EU Nr. C 255 v. 22.9.2010, 42.
[6] Siehe Erwägungsgrund 12 der ZVRL 2011.
[7] AG München, Vfg. v. 21.7.2016 – 244 C 971/15.
[9] AG Aachen AGS 2016, 496 f.

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