RPflG § 11 Abs. 4; RVG §§ 16 Nr. 10, 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 14; RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
Vertritt der Anwalt zunächst den Erblasser und nach dessen Tod den Erben, erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV um 0,3. Dass der Anwalt beide Auftraggeber nicht zeitgleich vertreten hat, ist unerheblich.
AG Hannover, Beschl. v. 10.10.2017 – 502 C 8229/16
1 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde ist begründet, da die Beklagte neben den durch Kostenfestsetzungsbeschluss zugesprochenen Kosten von 413,64 EUR auch Anspruch auf Erstattung der mit Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten 0,3 Erhöhungsgebühren nach Nr. 1008 VV nach dem hier gegebenen Gegenstandswert von bis zu 4.000,00 EUR, mithin i.H.v. 75,60 EUR zuzüglich Umsatzsteuer i.H.v. 14,36 EUR mithin i.H.v. weiteren 89,96 EUR hat.
Nach Nr. 1008 VV fällt die 0,3 Erhöhungsgebühr an, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Hier hat der Prozessbevollmächtigte mehrere Personen vertreten, nämlich zunächst die frühere Beklagte, sodann deren Erbin. Der Auffassung der Rechtspflegerin, bei der Erbin handele es sich um keinen weiteren Auftraggeber, vielmehr trete dieser als Rechtsnachfolgerin an die Stelle der ehemaligen Beklagten, ist nicht zu folgen. Es ist vielmehr der Auffassung von Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Nr. 1008 VV, Rn 80 zu folgen. Dass der Rechtsanwalt zu keinem Zeitpunkt beide Personen nebeneinander vertreten hat, ist unerheblich. Eine gleichzeitige Vertretung ist nicht Voraussetzung für den Mehrertretungszuschlag, vgl. auch Mueller-Rabe, a.a.O., Rn 104 m.N. für den insoweit vergleichbaren Parteiwechsel.
2 Anmerkung
Verstirbt im Laufe des Rechtsstreits die Partei, so tritt der Erbe, bzw. treten die Erben als Auftraggeber grundsätzlich in den Anwaltsvertrag ein, ohne dass es einer neuen Man datierung des Rechtsanwalts bedarf. Der Anwaltsvertrag setzt sich vielmehr mit dem, bzw. den Erben fort.
Andererseits entsteht kein neuer Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts. Es handelt sich insoweit immer noch um dieselbe Angelegenheit, so dass die Gebühren insgesamt nur einmal entstehen (§ 15 Abs. 2 RVG).
Zu beachten ist aber, dass sich die Verfahrensgebühr durch den Eintritt des bzw. der Erben nach Nr. 1008 VV erhöht.
Dabei behandelt die Rspr. die Erbfolge nach den Grundsätzen des Parteiwechsels. Erblasser und Erbe(n) sind danach als verschiedene Auftraggeber anzusehen.
Beispiel 1
Der Anwalt hatte in einem Zivilprozess zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinem einzigen Kind beerbt worden.
Die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV erhöht sich jetzt gem. Nr. 1008 VV um 0,3 auf einen Gebührensatz von 1,6.
Beispiel 2
Der Anwalt hatte in einem sozialgerichtlichen Verfahren zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinem einzigen Kind beerbt worden.
Die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV erhöht sich jetzt gem. Nr. 1008 VV um 30 % (SG Fulda, s.o.).
Die Gebührenerhöhung ist in diesem Fall unabhängig davon, ob für den Anwalt überhaupt Mehrarbeit entsteht.
Wird der Erblasser von mehreren Personen beerbt, kommen noch weitere Erhöhungen hinzu. Der Erbengemeinschaft kommt nämlich – im Gegensatz zur GbR und zur WEG – keine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Daher greift die Erhöhung nach Nr. 1008 VV zusätzlich für jeden weiteren Miterben.
Beispiel 3
Der Anwalt hatte zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinen vier Kindern beerbt worden.
Dadurch, dass jetzt die vier Kinder als Erben in das Verfahren eingetreten sind, erhöht sich die Verfahrensgebühr um 4 x 0,3, also um 1,2, bzw. bei Betragsgebühren um 4 x 30 %, also um 120 %.
Norbert Schneider
AGS 1/2018, S. 8 - 9