Zu Unrecht hat der Rechtspfleger die Nachfestsetzung abgelehnt. Die von ihm angeführten Argumente werden dem Sachverhalt nicht gerecht. Den heutigen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin wurde mit Schreiben vom 15.8.2005 ausschließlich ein Auftrag zur Durchführung des Streitverfahrens erteilt.

Für die Frage, ob die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV in voller Höhe bei der Kostenfestsetzung bzw. Kostenausgleichung zu berücksichtigen ist oder ob eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV vorzunehmen ist, kommt es allein auf den Inhalt des Auftrages an. Das hat der BGH bereits 1968 zur vergleichbaren Problematik, ob der Rechtsanwalt von seinem Mandanten in Höhe der vor Klageerhebung gezahlten Beträge nur eine halbe Prozessgebühr nach § 32 BRAGO oder eine Geschäfts- und eine Besprechungsgebühr (§ 118 BRAGO), mindestens also zwei halbe Gebühren fordern kann, entschieden. Ob der Rechtsanwalt vor Klageerhebung mit dem Gegner verhandelt, egal ob in schriftlicher oder mündlicher Form, ob Vergleichsgespräche geführt werden, ob mit Erhebung der Klage gedroht wird, stellt jeweils nur ein Indiz dafür dar, ob mit der Beauftragung des Rechtsanwaltes bereits eine unbedingte Prozessvollmacht einherging oder ob diese lediglich bedingt und daher davon abhängig war, das vorrangig zu führende außergerichtliche Gespräche erfolglos bleiben würden (BGH NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145).

Liegt mithin bereits ein unbedingter Verfahrensauftrag vor, dann gehören entsprechende Vorbereitungs- oder außergerichtliche Verhandlungen bereits zum Rechtszug und sind nicht geeignet, Gebühren nach Nrn. 2300 ff. VV auszulösen. Dies ist in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 RVG geregelt. Erhält der Rechtsanwalt jedoch den primären Auftrag zu außergerichtlichen Verhandlungen und zugleich einen bedingten zur Klageerhebung im Falle von deren Scheitern, dann kann er neben den Gebühren nach Nrn. 2300 ff. VV auch solche nach Nrn. 3100 ff. VV verdienen. Nur in diesem Fall stellt sich die Frage der Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 RVG (s. hierzu: Müller/Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., §§ 19 Rn 19 ff., 33 ff.; Nr. 3100 VV Rn 15 ff; Madert, in: Gerold/Schmidt, a.a.O., Nr. 2300 VV Rn 6 m. w. Nachw.).

Allerdings spricht eine Vermutung dafür, dass der Rechtsanwalt zunächst versuchen soll, die Sache einvernehmlich zu bereinigen, das heißt dass er in erster Linie einen allein nach Nr. 2300 VV zu vergütenden Auftrag erhalten hat (BGH, a.a.O.; Madert, a.a.O.). Bestreitet der Festsetzungsgegner, dass bereits ein unbedingter Prozessauftrag erteilt wurde, dann trifft den Anspruchsteller die Pflicht zum Nachweis (s.a. OLG Koblenz AGS 2005, 411; LG Mannheim AGS 2005, 518). Deshalb ist es empfehlenswert, dass sich der Anwalt eindeutige Vollmachten erteilen lässt, am besten je nach Auftragsinhalt zwei separate (Madert, a.a.O.).

Hieran gemessen steht angesichts des an die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreibens vom 15.8.2005 fest, dass ausschließlich der Auftrag erteilt wurde, "das streitige Verfahren" durchzuführen. In gebührenrechtlicher Hinsicht konnten diesen allein Gebühren nach Nrn. 3100 ff. VV erwachsen und keine solchen nach Nrn. 2300 ff. RVG. Der bis zur Klageerhebung geführte Schriftverkehr und die zwischen den Parteien erfolgten Gespräche gehörten bereits zum Rechtszug und waren nicht geeignet, zusätzliche Gebühren für außergerichtliche Tätigkeiten auszulösen. Mithin ist für eine Anrechnung kein Raum.

Dem steht auch nicht entgegen, dass zwischen Beauftragung und Anspruchsbegründung gegenüber dem Streitgericht mehr als zwei Jahre lagen. Zum einen kennt § 19 RVG keine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf quasi automatisch anzunehmen ist, dass außergerichtliche Tätigkeiten des Anwaltes doch nicht oder nicht mehr zum Rechtszug zu zählen sind. Ob eine solche Frist denknotwendig ausgeschlossen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Auch die weiteren vom Rechtspfleger angeführten Argumente sind nicht geeignet, seine Entscheidung zu stützen.

Dies gilt insbesondere für das Schreiben vom 24.7.2002. Ersichtlich ging es dort um Mietminderungen aus jener Zeit, während das Mahnverfahren solche ab Oktober 2004 zum Gegenstand hatte, die nach Widerspruch durch die Beklagte entsprechend dem erteilten ausdrücklichen Auftrag durch die heutigen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin nach Mitteilung des Widerspruches streitig geltend gemacht werden sollten.

Der Vortrag der Klägerin ist zudem weder unschlüssig noch widersprüchlich. Einer Partei ist es grundsätzlich unbenommen, ihren Vortrag – auch konkludent – fallen zu lassen und anders vorzutragen. Im Zweifel ist widersprechendes späteres Vorbringen als Berichtigung der damit nicht zu vereinbarenden früheren Ausführungen auszulegen. Keinesfalls wird der Tatsachenvortrag durch Abänderung unschlüssig (BGH NJW-RR 1995, 1340). Nichts anderes kann für das Kostenfestsetzungsverfahren gelten. Dies gilt umso mehr, als der Umstand, dass die Klägerin die Anrechnung zunä...

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