ZPO § 104 Abs. 3 Nr. 1; RPflG § 11 Abs. 1; RVG § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 2; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4

Leitsatz

Bestreitet der Kostenfestsetzungsgegner, dass bereits ein unbedingter Prozessauftrag erteilt wurde, trifft den Anspruchsteller die Pflicht zum Nachweis (vgl. OLG Koblenz, 8.6.2005–14 W 366/05 = AGS 2005, 411).

OLG Köln, Beschl. v. 2.1.2009–17 W 277/08

1 Sachverhalt

Unter dem 15.7.2005 beantragte die Klägerin selbst gegen die Beklagte einen Mahnbescheid. Diese erhob unter dem 8.8.2005 Widerspruch, über den die Klägerin mit Schreiben vom 9.8.2005 durch das Mahngericht informiert wurde. Gegenstand waren Mietrückstände der Beklagten von Oktober 2004 bis einschließlich Juli 2005. Am 15.8.2005 erteilte die B.-Immobilien GmbH für die Klägerin den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten schriftlich den Auftrag, gegen die Beklagte "das streitige Verfahren durchzuführen". In der Folgezeit kam es auf Anraten der Rechtsanwälte hin zu außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen, die nur teilweise erfolgreich waren. Mit Schriftsatz vom 16.10.2007 begründeten die heutigen Verfahrensbevollmächtigten den Mahnantrag gegenüber dem Streitgericht. Dort schlossen die Parteien später einen Vergleich.

Die Klägerin hatte sich in ihrem Antrag auf Kostenausgleichung selbst eine 0,65-Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angerechnet. Der Rechtspfleger hatte die Kostenausgleichung antragsgemäß durchgeführt. Nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein, stellte auf Nachfragen des Rechtspflegers aber klar, dass es sich um einen Antrag auf Nachtragsfestsetzung bezüglich der ursprünglich selbst in Anrechnung gebrachten 0,65-Geschäftsgebühr handelt.

Sie behauptet hierzu, eine Anrechnung sei nicht vorzunehmen, da eine Geschäftsgebühr nie entstanden sei. Sie habe allein den Auftrag zur Durchführung des Streitverfahrens erhalten. Die bis zur Anspruchsbegründung durchgeführten Gespräche mit der Beklagten hätten der Sachverhaltsaufklärung und der Erzielung eines Vergleichsabschlusses gedient.

Die Beklagte tritt dem entgegen und verweist einerseits auf den außergerichtlichen Schriftverkehr, der ihrer Ansicht nach für eine außergerichtliche Tätigkeit spreche, und das Entstandensein einer Geschäftsgebühr. Andererseits bestehe sie nicht darauf, dass der Klägervertreter auch außergerichtlich tätig geworden sei.

Der Rechtspfleger hat die Durchführung der Nachtragsfestsetzung abgelehnt. Zur Begründung hat er auf das Schreiben der Beklagten an die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 24.7.2002 verwiesen, worin es bereits um Mietminderung ging. Seine Nichtabhilfeentscheidung hat er damit begründet, der Vortrag der Klägerin im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Geschäftsgebühr sei unschlüssig, weil er von dem anlässlich des ursprünglichen Kostenausgleichungsantrages gemachten abweiche. Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Zu Unrecht hat der Rechtspfleger die Nachfestsetzung abgelehnt. Die von ihm angeführten Argumente werden dem Sachverhalt nicht gerecht. Den heutigen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin wurde mit Schreiben vom 15.8.2005 ausschließlich ein Auftrag zur Durchführung des Streitverfahrens erteilt.

Für die Frage, ob die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV in voller Höhe bei der Kostenfestsetzung bzw. Kostenausgleichung zu berücksichtigen ist oder ob eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV vorzunehmen ist, kommt es allein auf den Inhalt des Auftrages an. Das hat der BGH bereits 1968 zur vergleichbaren Problematik, ob der Rechtsanwalt von seinem Mandanten in Höhe der vor Klageerhebung gezahlten Beträge nur eine halbe Prozessgebühr nach § 32 BRAGO oder eine Geschäfts- und eine Besprechungsgebühr (§ 118 BRAGO), mindestens also zwei halbe Gebühren fordern kann, entschieden. Ob der Rechtsanwalt vor Klageerhebung mit dem Gegner verhandelt, egal ob in schriftlicher oder mündlicher Form, ob Vergleichsgespräche geführt werden, ob mit Erhebung der Klage gedroht wird, stellt jeweils nur ein Indiz dafür dar, ob mit der Beauftragung des Rechtsanwaltes bereits eine unbedingte Prozessvollmacht einherging oder ob diese lediglich bedingt und daher davon abhängig war, das vorrangig zu führende außergerichtliche Gespräche erfolglos bleiben würden (BGH NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145).

Liegt mithin bereits ein unbedingter Verfahrensauftrag vor, dann gehören entsprechende Vorbereitungs- oder außergerichtliche Verhandlungen bereits zum Rechtszug und sind nicht geeignet, Gebühren nach Nrn. 2300 ff. VV auszulösen. Dies ist in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 RVG geregelt. Erhält der Rechtsanwalt jedoch den primären Auftrag zu außergerichtlichen Verhandlungen und zugleich einen bedingten zur Klageerhebung im Falle von deren Scheitern, dann kann er neben den Gebühren nach Nrn. 2300 ff. VV auch solche nach Nrn. 3100 ff. VV verdienen. Nur in diesem Fall stellt sich die Frage der Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 RVG (s. hierzu: Müller/Rabe, in: G...

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