RVG §§ 15, 16 Nr. 4, 44
Leitsatz
Der gebührenrechtliche Begriff der "Angelegenheit" ist auch für die Bestimmung des Begriffs der "Angelegenheit" i.S.d. BerHG maßgebend. Die Scheidung und die dazugehörigen Folgesachen Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt sind dieselbe Angelegenheit. Der Ehegattentrennungsunterhalt ist eine davon verschiedene Angelegenheit.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.9.2009–6 W 76/08
1 Sachverhalt
Frau D. beauftragte die Antragstellerin mit der Vertretung wegen eventueller Ansprüche auf Versorgungsausgleich, auf Zugewinnausgleich, auf Ehegattentrennungsunterhalt sowie auf nachehelichen Unterhalt.
Die Antragstellerin reichte daraufhin vier Kostenrechnungen nebst Beratungshilfeanträgen für Frau D. ein und zwar betreffend den Versorgungsausgleich, den Zugewinnausgleich, den Ehegattentrennungsunterhalt und den nachehelichen Unterhalt. Die Antragstellerin beantragte jeweils, eine Gebühr gem. Nr. 2503 VV in Höhe von 70,00 EUR sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 14,00 EUR zuzüglich der Umsatzsteuer, mithin insgesamt einen Betrag von jeweils 99,96 EUR festzusetzen.
Die Rechtspflegerin des AG als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Vergütung der Antragstellerin für die Beratung der Frau D. in der Angelegenheit "Ehescheidung und Folgesachen" auf insgesamt 99,96 EUR fest und wies die Anträge im Übrigen zurück. Die Rechtspflegerin ging dabei davon aus, dass die Antragstellerin Frau D. in nur einer Angelegenheit i.S.d. §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 4, 44 RVG beraten habe. Der Antragstellerin stehe deshalb die Gebühr gem. Nr. 2503 VV insgesamt nur einmal zu. Für die Vergütung der Antragstellerin im Rahmen der Beratungshilfe sei auf die Definition der Angelegenheit i.S.d. §§ 16 ff. RVG abzustellen.
Die Antragstellerin legte gegen diese Entscheidung Erinnerung ein, mit der sie die Festsetzung der Vergütung entsprechend ihren vier Anträgen erreichen wollte. Die Rechtspflegerin des AG half der Erinnerung nicht ab und legte sie zur Entscheidung dem Abteilungsrichter des AG vor.
Der Abteilungsrichter des AG änderte den Beschluss der Rechtpflegerin des AG ab und setzte die der Antragstellerin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 399,84 EUR fest. Zur Begründung führte er aus: Die Antragstellerin habe Frau D. nicht in derselben Angelegenheit beraten, sondern in vier verschiedenen Angelegenheiten. Für die Bestimmung der Angelegenheit der Beratungshilfe sei nicht auf § 16 Nr. 4 RVG abzustellen. Der Abteilungsrichter ließ gegen seine Entscheidung die sofortige Beschwerde zu.
Gegen diese Entscheidung legte der Bezirksrevisor sofortige Beschwerde ein. Das LG änderte den Beschluss des AG dahingehend ab, dass die Erinnerung der Antragstellerin zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte das LG aus, es könne dahinstehen, ob die Angelegenheit i.S.d. Beratungshilfe in familienrechtlichen Angelegenheiten unter Anwendung von § 16 Nr. 4 RVG zu bestimmen sei. Auch ohne Rückgriff auf diese Bestimmung seien die Scheidung und die dazugehörigen Folgesachen als dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG anzusehen. Die dafür maßgeblichen Kriterien des gleichzeitigen Auftrages, des gleichartigen Verfahrens (gleichen Rahmens) und des inneren Zusammenhanges der Beratungsgegenstände seien erfüllt. Diese Auslegung genüge verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der zugelassenen weiteren Beschwerde. Sie ist unverändert der Auffassung, sie habe Frau D. in vier verschiedenen Angelegenheiten vertreten und deshalb die vom LG bestimmte Vergütung nicht nur einmal, sondern viermal verdient.
2 Aus den Gründen
Die zulässige weitere Beschwerde ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet. Die Antragstellerin hat die Vergütung für die Beratung von Frau D. nicht in einer, sondern in zwei Angelegenheiten verdient. Die Antragstellerin hat die Vergütung jedoch nicht für die Beratung in vier Angelegenheiten verdient.
1. Mit dem LG kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob § 16 Nr. 4 RVG bei der Bestimmung der Angelegenheit i.S.d. BerHG anzuwenden ist oder nicht. In beiden Fällen hat die Antragstellerin die Vergütung für die Beratungshilfe in zwei Angelegenheiten verdient.
a) Die Scheidung und die dazugehörigen Folgesachen Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt sind ohne Rückgriff auf § 16 Nr. 4 RVG bereits i.S.v. § 15 RVG als dieselbe Angelegenheit sowie der Ehegattentrennungsunterhalt als davon verschiedene Angelegenheit anzusehen.
aa) Der Senat folgt dem LG darin, dass der gebührenrechtliche Begriff der "Angelegenheit" i.S.d. §§ 15 ff. RVG auch für die Bestimmung des Begriffs der "Angelegenheit" i.S.d. BerHG als Grundlage für die Festsetzung der Vergütung des Beratungshilfe leistenden Rechtsanwaltes maßgebend ist (so auch OLG München MDR 1988, 330 zur vergleichbaren Rechtslage nach der BRAGO). Gem. § 44 RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach dem RVG. Das bezieht sich nicht nur auf die in der An...