RVG VV Nrn. 3102, 3106
Leitsatz
- Beschränkt sich das Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf einen einzigen kurzen Schriftsatz, der lediglich die Forderung nach aufschiebender Wirkung enthält und kommt die Gegenseite der Forderung nach, ist keine Mittelgebühr gerechtfertigt.
- Eine fiktive Terminsgebühr wegen Erledigung des Verfahrens durch angenommenes Anerkenntnis kommt nicht in Betracht, weil das Sozialgericht auch bei Nichtannahme eines Anerkenntnisses jederzeit ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann und daher der Zweck der Entlastung der Gerichte entfällt.
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.9.2009 – L 13 B 15/08 R
1 Sachverhalt
Der Antragsteller begehrt eine Festsetzung höherer Gebühren für sein Tätigwerden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Der Antragsteller hatte für seinen Mandanten die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, weil die Deutsche Rentenversicherung Bund von dessen Altersrente monatlich einen Teil einbehielt. Sein Mandant drohte damit, unter das Existenzminimum zu rutschen.
Mit Schreiben vom 20.2.2008 erkannte die DRV Bund die aufschiebende Wirkung einer vom Mandanten des Antragstellers erhobenen Klage gegen den Einbehalt an und kündigte an, die Rente fortan ungekürzt auszuzahlen.
Daraufhin erklärte der Antragsteller das Verfahren für erledigt und beantragte die Kostenfestsetzung. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die dem Antragsteller zu zahlenden Gebühren und Auslagen fest. Die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV könne der Antragsteller nicht verlangen. Der Umfang seiner Bemühungen liege erheblich unter dem Durchschnitt, besondere Schwierigkeiten hätten nicht vorgelegen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des vom Antragsteller Vertretenen seien als gering zu bezeichnen gewesen.
Mit seiner Erinnerung bestand der Antragsteller auf einer Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr, da es sich um ein ganz normales Verfahren gehandelt habe. Zudem machte er eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Nr. 3 zu Nr. 3106 VV geltend.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das SG die Erinnerung gegen die Festsetzung der PKH-Vergütung zurückgewiesen.
Die fiktive Terminsgebühr sei deshalb ausgeschlossen, weil im einstweiligen Anordnungsverfahren nach dem Sinn und Zweck der Nr. 3106 VV diese nicht anfalle. Die Gebühr setze voraus, dass eine mündliche Verhandlung grundsätzlich hätte stattfinden müssen, was beim einstweiligen Anordnungsverfahren nicht der Fall sei. Die fiktive Terminsgebühr diene dazu, zu vermeiden, dass ein Rechtsanwalt nur zur Erzielung von Gebühren von der Annahme eines Anerkenntnisses absehe und auf die Durchführung eines Verhandlungstermins bestehe. Dieser Zweck greife im Eilverfahren nicht, weil das Gericht jederzeit ohne mündliche Verhandlung entscheiden könne.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Beschwerde hat sich der Antragsteller auf zwei zur Frage der fiktiven Terminsgebühr ergangenen Beschlüsse des LSG Thüringen und des LSG Nordrhein-Westfalen berufen. Das Land als Antragsgegner ist dem entgegengetreten.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat weder einen Anspruch auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV in Höhe der Mittelgebühr noch auf eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV.
Hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Kostenfestsetzungsbeschlusses. Das Tätigwerden des Antragstellers beschränkte sich auf einen einzigen, kurzen Schriftsatz, der lediglich die Forderung nach aufschiebender Wirkung enthielt. Bereits mit der Antragserwiderung hat die DRV Bund dem im vollen Umfang Rechnung getragen. Schon dieses deutlich unter dem Normalmaß auch im einstweiligen Rechtsschutz liegende anwaltliche Tätigwerden lässt den Ansatz einer Gebühr in Höhe der Mittelgebühr nicht als gerechtfertigt erscheinen.
Soweit der Prozessbevollmächtigte eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Nr. 3 zu Nr. 3106 VV wegen Erledigung des Verfahrens durch angenommenes Anerkenntnis geltend macht, geht der Senat wie das SG davon aus, dass die Gebühr nach dieser Ziffer dazu dient, die Gerichte zu entlasten und zu diesem Zweck unnötige Verhandlungstermine zu vermeiden (so auch Bischof/Curkovic, RVG, 2. Aufl. 2007, VV 3106 Rn 5). Diesen Zweck kann die Vorschrift im sozialgerichtlichen Eilverfahren jedoch nicht erfüllen, weil das Sozialgericht auch bei Nichtannahme eines Anerkenntnisses jederzeit ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann. Allein die Möglichkeit einer Entscheidung durch mündliche Verhandlung im Eilverfahren zwingt nicht dazu, Anm. Nr. 3 zu Nr. 3106 VV zur Entlastung der Gerichte auf dieses Verfahren anzuwenden (a.A. AnwK-RVG/Wahlen, 4. Aufl. 2008, VV 3106 Rn 6).
Dasselbe entnimmt der Senat der systematischen Stellung von Anm. Nr. 3 zu Nr. 3106 VV. Anm. Nr. 1 und 2 der Vorschrift regeln das Anfallen der Terminsgebühr in Fällen, in denen das Gericht nur ausnahmsweise oh...