RVG VV Nr. 5115; OWiG § 72

Leitsatz

  1. Nach Anm. Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV entsteht die zusätzliche Verfahrensgebühr auch dann, wenn das Gericht nach § 72 Abs. 1 S. 1 OWiG durch Beschluss entscheidet.
  2. Als Mitwirkung des Verteidigers reicht es aus, wenn darauf hingewiesen wird, dass aufgrund der verdachtsunabhängigen Aufzeichnung von Daten der Betroffenen ein Verfahrenshindernis vorliegen dürfte und das Verfahren einzustellen sei.

LG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.2010–61 Qs 65/10

Sachverhalt

Gegen die Betroffene war ein Bußgeldbescheid ergangen. Sie hatte durch ihren Verteidiger Einspruch einlegen lassen, so dass die Sache an das zuständige AG abgegeben wurde. Dort hatte der Verteidiger in einem Schriftsatz darauf hingewiesen, dass ein Beweisverwertungsverbot bestehe und das Verfahren daher einzustellen sei. Aus diesem Grund hat das Gericht die Betroffene gem. § 72 Abs. 1 OWiG ohne Durchführung der Hauptverhandlung freigesprochen. Diese hat sodann die Festsetzung ihrer Verteidigerkosten beantragt, darunter auch eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV. Das Gericht hat diese Gebühr abgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat insofern Erfolg, als die Kostenfestsetzung des AG insofern unvollständig war, als sie auch die Festsetzung einer Gebühr gem. Nr. 5115 VV umfassen musste. Denn vorliegend ist die Hauptverhandlung durch die anwaltliche Mitwirkung entbehrlich geworden. Der Verteidiger der Betroffenen hat bereits in dem Schriftsatz vom 1.12.2009 darauf hingewiesen, dass aufgrund der verdachtsunabhängigen Aufzeichnung von Daten der Betroffenen ein Verfahrenshindernis vorliegen dürfte und das Verfahren einzustellen sei. Aus ebendiesem Grund hat das AG die Betroffene ohne Durchführung einer Hauptverhandlung freigesprochen. Dies genügt für das Vorliegen einer anwaltlichen Mitwirkung, an die keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden dürfen. Es reicht jede auf die Förderung der Erledigung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit aus. Insbesondere ist keine Ursächlichkeit erforderlich (OLG Düsseldorf Rpfleger 1999, 149 [= AGS 1999, 120]; Burhoff, RVG, 2. Aufl., Nr. 5115 VV Rn 10; Hartung, Praxiskommentar zum RVG, Nr. 5115 VV Rn 19 f.).

Hieraus ergibt sich, dass der Betroffenen im Rahmen der Kostenfestsetzung eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr im Rahmen ihrer notwendigen Auslagen zu gewähren ist.

Nach Anm. Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV RVG entsteht eine zusätzliche Gebühr auch dann, wenn das Gericht im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG durch Beschluss entscheidet. Wie in allen Fällen der zusätzlichen Gebühr ist aber erforderlich, dass der Verteidiger mitgewirkt hat. Insoweit hat es das LG als ausreichende Mitwirkungshandlung angesehen, dass der Verteidiger auf das Verwertungsverbot hingewiesen hatte. Aus diesem Grund habe nämlich das AG die Betroffene ohne Durchführung einer Hauptverhandlung freigesprochen. Diese Tätigkeit des Verteidigers wiederum genüge für das Vorliegen einer anwaltlichen Mitwirkung, da hieran keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden dürfen. Es reicht jede auf die Förderung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit aus. Insbesondere ist keine Ursächlichkeit erforderlich (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 192 [= AGS 1999, 120]; Burhoff, RVG, 2. Aufl. Nr. 5115 Rn 10).

entnommen von www.burhoff.de

Anmerkung

Die Entscheidung ist im Ergebnis richtig, nicht jedoch in ihrer Begründung.

Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV entsteht, wenn der Verteidiger daran mitwirkt, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Im Falle der Anm. Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV kann die Mitwirkung aber nur darin liegen, dass die nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erforderliche Zustimmung erteilt oder zumindest kein Widerspruch erklärt wird.[1]

Ausreichend ist

  die Zustimmungserklärung,[2]
  ein Verzicht auf die Möglichkeit des Widerspruchs,[3]
  ein verspäteter Widerspruch, wenn das Gericht dies zum Anlass nimmt, im Beschlusswege zu entscheiden,[4]
  die Rücknahme eines zunächst erklärten Widerspruchs,[5]
  das Unterlassen eines Wiedereinsetzungsantrags.[6]

Sonstige Ausführungen, Einlassungen etc. sind insoweit unerheblich, weil diese allein niemals die Berechtigung des Gerichts zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren begründen können. Daher hätte der Verteidiger im Fall des LG Düsseldorf auch dann die zusätzliche Gebühr verdient, wenn er überhaupt keine Einlassung abgegeben, sondern lediglich das Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt hätte.

Hätte das Gericht dagegen – wie beantragt – das Verfahren eingestellt, dann wäre der Hinweis auf das Beweisverwertungsverbot ausreichende Mitwirkung i.S.d. Einstellung gewesen. Eine solche besondere Mitwirkung in der Sache ist aber dann nicht erforderlich, wenn das Gericht im Verfahren nach § 72 OWiG entscheidet.

Auf den Inhalt der Entscheidung kommt es nicht an. Daher gilt Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV nicht nur im Falle einer Verurteilung, sondern auch bei Freispru...

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