ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 GWB § 107 Abs. 2 GKG § 66 Abs. 1 RVG § 15a Abs. 2

Leitsatz

  1. In einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist es aus kostenrechtlicher Sicht i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch eine Bietergemeinschaft regelmäßig ausreichend und den verschiedenen Mitgliedern der Bietergemeinschaft auch zumutbar, dass die Bietergemeinschaft von einem Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigten einheitlich vertreten wird.
  2. Lässt sich die Bietergemeinschaft von mehreren Rechtsanwälten getrennt vertreten, so sind deren außergerichtliche Aufwendungen nur bis zur Höhe der fiktiven Kosten eines einheitlichen Verfahrensbevollmächtigten erstattungsfähig.
  3. Die Aktenversendungspauschale ist nicht Bestandteil der allgemeinen Geschäfts- oder Portokosten des Anwalts, sondern eine Auslage des Verfahrensbeteiligten selbst, über deren Erstattungsfähigkeit eigenständig zu entscheiden ist.

OLG Naumburg, Beschl. v. 29.7.2011 – 2 Verg 9/11

1 Sachverhalt

Im Beschwerdeverfahren hat der Vergabesenat des OLG die sofortigen Beschwerden der Beigeladenen und des Antragsgegners zurückgewiesen und der Beigeladenen und dem Antragsgegner die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte auferlegt.

Die Antragstellerin ist eine aus einem gemeinnützigen Unternehmen und einem privaten Unternehmen bestehenden Bietergemeinschaft. Im Beschwerdeverfahren ist sie von zwei Verfahrensbevollmächtigten unterschiedlicher Sozietäten vertreten worden. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin haben mit gesonderten Schriftsätzen (Rechtsanwalt Dr. S. und Rechtsanwalt Dr. B.) kumulierend die Festsetzung der erstattungsfähigen außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin beantragt.

Die Kostenrechtspflegerin des OLG hat die von der Beigeladenen und vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen von Rechtsanwalt Dr. S. sowie von Rechtsanwalt Dr. B. festgesetzt.

Beide Kostenschuldner haben hiergegen Erinnerung eingelegt, denen die Kostenrechtspflegerin nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

2 Aus den Gründen

Die angefochtenen Entscheidungen erweisen sich zum Teil als fehlerhaft.

1. In formeller Hinsicht ist anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kostenrechtspflegerin beide Kostenfestsetzungsanträge der Antragstellerin bereits vorlagen; über sie ist am selben Tage entschieden worden. In dieser Situation wäre es geboten gewesen, eine einheitliche Entscheidung über die Kostenerstattung zugunsten der Antragstellerin zu treffen. Über die Kostenfestsetzung zugunsten einer Prozesspartei in einer Instanz ist grundsätzlich einheitlich zu entscheiden, von Ausnahmen, wie im Falle von Nachträgen zum Kostenfestsetzungsantrag, abgesehen. Die einheitliche Kostenfestsetzung erhöht nicht nur die Transparenz der Entscheidung, sondern vereinfacht nachfolgende Verfahren, insbesondere auch in der Vollstreckung. Darüber hinaus hätte hier die Zusammenfassung der Entscheidung über beide Kostenfestsetzungsanträge u.U. auch stärker ins Bewusstsein gerückt, dass die Antragstellerin die Erstattung der Aufwendungen für zwei Verfahrensbevollmächtigte geltend macht.

2. Die Voraussetzungen für die Erstattung der Aufwendungen für zwei Hauptverfahrensbevollmächtigte liegen nicht vor.

a) Maßstab für die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Aufwendungen eines Verfahrensbeteiligten im Vergabenachprüfungsverfahren ist § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO analog. Danach sind verfahrensbezogene Aufwendungen erstattungsfähig, soweit sie aus der ex-ante-Sicht des Kostengläubigers zur Zeit ihrer Auslösung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden durften. Dabei sind abstrakte und keineswegs überhöhte Anforderungen an die Prognose des Kostengläubigers zu stellen.

Für die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für mehr als einen Rechtsanwalt sieht § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO in Ausprägung dieses Grundsatzes vor, dass regelmäßig Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur bis zu demjenigen Betrage erstattungsfähig sind, als sie die Kosten eines Anwalts nicht übersteigen, vom – hier nicht vorliegenden – Fall des Anwaltswechsels abgesehen. Die Rspr. hat weitere Ausnahmen anerkannt (vgl. die Übersicht bei Wolst in: Musielak, ZPO, 7. Aufl. 2011, § 91 Rn 22 f.). Die zeitgleiche Beauftragung mehrerer Anwälte als Hauptbevollmächtigte durch eine Partei wird allerdings grundsätzlich nicht als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO angesehen (vgl. Nachweise in: BGH, Beschl. v. 27.1.2011 – III ZB 97/09, RPfleger 2011, 348). Denn jede Prozesspartei, jeder Verfahrensbeteiligte ist verpflichtet, die Kosten der Prozess- bzw. Verfahrensführung, die sie bzw. er im Falle des Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung der eigenen rechtlichen Belange vereinbaren lässt. Die Verpflichtung folgt aus dem Prozessrechtsverhältnis und beherrscht als Ausfluss von Treu und Glauben das gesamte Kostenrecht (...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?