Leitsatz (amtlich)

1. In einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist es aus kostenrechtlicher Sicht i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch eine Bietergemeinschaft regelmäßig ausreichend und den verschiedenen Mitgliedern der Bietergemeinschaft auch zumutbar, dass die Bietergemeinschaft von einem Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigten einheitlich vertreten wird.

2. Lässt sich die Bietergemeinschaft von mehreren Rechtsanwälten getrennt vertreten, so sind deren außergerichtliche Aufwendungen nur bis zur Höhe der fiktiven Kosten eines einheitlichen Verfahrensbevollmächtigten erstattungsfähig.

3. Die Aktenversendungspauschale ist nicht Bestandteil der allgemeinen Geschäfts- oder Portokosten des Anwalts, sondern eine Auslage des Verfahrensbeteiligten selbst, über deren Erstattungsfähigkeit eigenständig zu entscheiden ist.

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Aktenzeichen 1 Verg 10/10)

1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Aktenzeichen 1 VK LVwA 69/09)

 

Tenor

Auf die Erinnerungen der Beigeladenen und des Antragsgegners werden beide Kostenbeschlüsse der Rechtspflegerin des OLG Naumburg vom 29.4.2011 aufgehoben.

Auf die Anträge der Antragstellerin vom 5.11.2010 und vom 10.11.2010 werden die aufgrund des Beschlusses des Vergabesenats des OLG Naumburg vom 4.11.2010 von der Beigeladenen und vom Antragsgegner je zur Hälfte an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten festgesetzt auf insgesamt 20.589,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 20.502,27 EUR seit dem 5.11.2010 und auf einen weiteren Betrag von 87,42 EUR seit dem 10.11.2010.

Die weiter gehenden Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Im Beschwerdeverfahren hat der Vergabesenat des OLG Naumburg die sofortigen Beschwerden der Beigeladenen und des Antragsgegners mit Beschluss vom 4.11.2010 jeweils zurückgewiesen und der Beigeladenen und dem Antragsgegner die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte auferlegt.

Die Antragstellerin ist eine aus einem gemeinnützigen Unternehmen und einem privaten Unternehmen bestehenden Bietergemeinschaft. Im Beschwerdeverfahren ist sie von zwei Verfahrensbevollmächtigten unterschiedlicher Sozietäten vertreten worden. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin haben mit Schriftsätzen vom 5.11.2010 (Rechtsanwalt Dr. S.) und vom 10.11.2010 (Rechtsanwalt Dr. B.) kumulierend die Festsetzung der erstattungsfähigen außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin beantragt.

Die Kostenrechtspflegerin des OLG Naumburg hat mit Beschlüssen jeweils vom 29.4.2011 die von der Beigeladenen und vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen auf 20.502,27 EUR im Hinblick auf die Tätigkeit von Rechtsanwalt Dr. S. sowie auf 20.589,69 EUR im Hinblick auf die Tätigkeit von Rechtsanwalt Dr. B. festgesetzt. Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind der Beigeladenen am 24.5.2011 und dem Antragsgegner am 18.5.2011 zugestellt worden.

Beide Kostenschuldner haben hiergegen Erinnerung eingelegt, die Beigeladene mit Schriftsatz vom 7.6.2011 und der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 31.5.2011. Die Kostenrechtspflegerin hat diesen Erinnerungen nicht abgeholfen und die Sache am 17.6.2011 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Beide Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin haben für diese zu den Rechtsmitteln der Beigeladenen und des Antragsgegners Stellung genommen.

B. Die Erinnerungen der Beigeladenen und des Antragsgegners sind jeweils zulässig; sie haben auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Die Festsetzung der erstattungsfähigen außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin hatte einheitlich zu erfolgen; dabei war die Erstattung der Kosten zweier Verfahrensbevollmächtigter nicht gerechtfertigt. Soweit sich die Erinnerung der Beigeladenen gegen die Nichtanrechnung von Gebühren aus dem Verfahren vor der Vergabekammer wendet und die Erinnerung des Antragsgegners sich auch gegen den Ansatz der Aktenversendungspauschale richtet, sind die Rechtsmittel unbegründet.

I. Die Erinnerungen der Beigeladenen und des Antragsgegners gegen den Kostenansatz sind nach § 66 Abs. 1 GKG i.V.m. § 11 Abs. 1 und 2 RPflG zulässig.

II. Zur Entscheidung über die Erinnerungen ist nach § 66 Abs. 6 S. 1 GKG der Vergabesenat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter berufen, nachdem die Rechtspflegerin den Rechtsmitteln nicht abgeholfen hat.

III. Die angefochtenen Entscheidungen erweisen sich zum Teil als fehlerhaft.

1. In formeller Hinsicht ist anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kostenrechtspflegerin beide Kostenfestsetzungsanträge der Antragstellerin bereits vorlagen; über sie ist am selben Tage entschieden worden. In dieser Situation wäre es geboten gewesen, eine einheitliche Entscheidung über die Kosteners...

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