RVG VV Nrn. 1000, 2508
Leitsatz
- Für die Beurteilung des Anfallens einer Gebühr nach Nr. 2508 VV kommt es allein darauf an, ob der Anwalt an der Herbeiführung einer Einigung mitgewirkt hat, nicht darauf, ob die Hinzuziehung eines Anwalts erforderlich war.
- Ein vollständiges Anerkenntnis i.S.v. Anm. Abs. 1 S. 1 letzter Halbs., Alt. 1 zu Nr. 1000 VV liegt nicht vor, wenn der Mandant ein Vergleichsangebot der Gegenseite annimmt, welches gegenüber deren ursprünglichen Forderungen einen Teilverzicht beinhaltet. Das gilt jedenfalls dann, wenn erfolgreich eine modifizierte Annahme – hier unter Anbieten einer Ratenzahlungsvereinbarung – erklärt wird.
OLG Naumburg, Beschl. v. 12.5.2011 – 2 Wx 25/11
1 Sachverhalt
Die Begünstigte war mit anwaltlichem Schriftsatz wegen einer Urheberrechtsverletzung (Download im Internet) auf Schadensersatz und strafbewehrte Unterlassungserklärung in Anspruch genommen worden. Das AG bewilligte ihr für diese Angelegenheit Beratungshilfe.
Nach Prüfung der Ansprüche durch den Verfahrensbevollmächtigten der Begünstigten nahm die Begünstigte auf dessen Empfehlung den ihr von der Anspruchstellerin vorgeschlagenen Vergleich im Wesentlichen an. Abweichend vom ursprünglichen Vorschlag wurde auf Initiative des Verfahrensbevollmächtigten jedoch unter Nr. 3) des Vergleichs eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Begünstigten hat daraufhin die Festsetzung einer Vergütung beantragt, u.a. auch einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV und einer Einigungsgebühr nach Nr. 2508 VV.
Die Rechtspflegerin des AG hat die Einigungsgebühr abgesetzt, weil die Voraussetzungen für deren Anfall durch ein vollständiges Anerkenntnis nicht erfüllt worden seien.
Gegen diesen Beschluss hat sich der Verfahrensbevollmächtigte mit seiner Erinnerung gewandt. Hierzu hat die Vertreterin der Landeskasse in der Weise Stellung genommen, dass eine anwaltliche Tätigkeit mit dem Ziel der Herbeiführung einer Einigung nicht festgestellt werden könne, wenn zum Zeitpunkt der Mandatierung ein Vergleichsvorschlag der Gegenseite bereits vorliege, wie hier. Der Direktor des AG hat mit seinem Beschluss die Erinnerung, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hatte, als unbegründet zurückgewiesen, zugleich jedoch die Beschwerde gegen seine Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage zugelassen. Er hat die Ansicht vertreten, dass sich der geschlossene Vergleich in der Sache auf ein Anerkenntnis beschränkt habe. Hierfür sei die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Es unterliegt im vorliegenden Fall keinem Zweifel, dass der Verfahrensbevollmächtigte an der Verhandlung über den letztlich geschlossenen Vergleich mitgewirkt hat. Er hat den Schriftsatz der Anspruchstellerin beantwortet, dabei den Rechtsstandpunkt der Begünstigten artikuliert und ein inhaltlich modifiziertes Vergleichsangebot – mit einer Ratenzahlungsvereinbarung – unterbreitet. Dies wird auch mit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt. Soweit das AG darüber hinaus Erwägungen zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für den Abschluss des Vergleichs angestellt hat, ist dies keine Frage der Mitursächlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit für die Einigung, die im Rahmen von Anm. Abs. 1 zur Nr. 2508 i.V.m. Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1000 VV zu prüfen ist (vgl. Hartmann, a.a.O., Nr. 1000 Rn 59, 68 m. w. Nachw.). Von der Notwendigkeit der Hinzuziehung ist vielmehr bereits aufgrund der vorausgegangenen Bewilligung der Beratungshilfe auszugehen.
2. Das AG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Entscheidung über das Anfallen einer Gebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 2508 VV (Einigungs- und Erledigungsgebühr) hier entsprechend der zu Nr. 1000 VV entwickelten Grundsätze zu treffen ist. Bei dieser Gebühr handelt es sich ihrem Charakter nach um eine zusätzliche Erfolgsgebühr, mit der ein wirtschaftlicher Anreiz für jede Form der einvernehmlichen Streitbeilegung gesetzt werden soll (vgl. Hartmann, KostG, 40. Aufl. 2010, VV 2508 Rn 1 und 2). Anders, als bei der Vorgängerregelung, kommt es auf ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines Vergleichs entsprechend § 779 Abs. 1 BGB nicht an (vgl. Hartmann a.a.O. Rn 4 sowie VV 1000 Rn 10 jeweils m. w. Nachw.; ebenso Gerold/Schmidt, RVG, VV 2500 bis 2508 Rn 38 sowie Nr. 1000 Rn 174 ff.). Zudem ist auch im materiellen Recht mit § 779 Abs. 2 BGB die Überwindung einer Unsicherheit bei der Verwirklichung des Anspruchs, z.B. wegen unsicherer Vollstreckungsmöglichkeiten im Falle einer Titulierung der Forderung, dem gegenseitigen Nachgeben gleich gestellt worden. Ergänzend ist, ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, darauf zu verweisen, dass hier auch ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt, das aus Sicht der Begünstigten darin liegt, der Anspruchstellerin eine Verbriefung eines finanziellen und eines Unterlassungsanspruchs ohne Inanspruchnahme des Rechtsweges zu verschaffen.
3. Für die Entscheidung über den Vergütungsantrag des Verfahrensbevollmächtigt...