Im Verhältnis der Geschäftsgebühr, die für das Vergabenachprüfungsverfahren entsteht, und der Verfahrensgebühr, die für das Beschwerdeverfahren entsteht, gilt die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV. Das hatte der BGH bereits 2009 festgestellt und damit begründet, dass das Verhältnis zwischen Vergabekammer und Vergabesenat sich nicht mit demjenigen zwischen einem Eingangs- und einem Rechtsmittelgericht gleichsetzen lässt. Mit dieser Entscheidung war zugleich anderslautende Rspr. überholt.
Die Geschäftsgebühr ist danach hälftig, höchstens jedoch mit einem 0,75-Gebührensatz auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV anzurechnen. Die Anrechnung erfolgt nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Die Anrechnung erfolgt nur hinsichtlich der Verfahrensgebühr, nicht auf andere Gebühren oder die Postpauschale nach Nr. 7002 VV.
Der BGH hat jedoch festgestellt, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht in Betracht kommt, wenn zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Anwalt keine Geschäftsgebühr entstanden ist, sondern die Partei ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorprozessuales Tätigwerden ein von einzelnen Aufträgen unabhängiges Pauschalhonorar schuldet. Ist jedoch eine Stundenhonorarvereinbarung getroffen, ist die Anrechnung hingegen vorzunehmen, da das Honorar dann zweifelsfrei dem jeweiligen Auftrag zugeordnet werden kann. Müsste in diesen Fällen der Erstattungsanspruch klageweise geltend gemacht werden und sich das Gericht in seiner Entscheidung an den Rechtsgedanken des § 632 Abs. 2 BGB orientieren, würde es sich hinsichtlich der Bestimmung des angemessenen Erstattungsbetrages wiederum an der Höhe der Geschäftsgebühr ausrichten, die im jeweiligen Fall zu erstatten wäre, wenn der erstattungsberechtigte Verfahrensbeteiligte keine private Vergütungsvereinbarung mit seinem Rechtsanwalt getroffen hätte.
Beispiel
Der Anwalt wird zunächst im Nachprüfungsverfahren tätig. Der Wert beträgt 60.000 EUR. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wird sofortige Beschwerde eingelegt. Der Wert beträgt 60.000,00 EUR. Es findet eine mündliche Verhandlung statt.
An Anwaltsgebühren sind entstanden:
I. Nachprüfungsverfahren
1. |
2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 60.000,00 EUR) |
2.496,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
478,04 EUR |
|
Gesamt |
2.994,04 EUR |
Wegen der Schwierigkeit wird die Geschäftsgebühr mit einem 2,0-Gebührensatz geltend gemacht.
II. Beschwerdeverfahren
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV (Wert: 60.000,00 EUR) |
1.996,80 EUR |
2. |
anzurechnen nach Vorbem. 3. Abs. 4 VV 0,75-Geschäftsgebühr (Wert: 60.000,00 EUR) |
- 936,00 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV (Wert: 60.000,00 EUR) |
1.497,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
5. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
489,90 EUR |
Gesamt |
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3.068,30 EUR |
Für beide Verfahren erhält der Anwalt somit 6.062,34 EUR.