Leitsatz
Gilt für die gerichtlich anhängigen Gegenstände altes Gebührenrecht und wird erst nach dem Stichtag der Auftrag erteilt, über nicht bereits rechtshängige Ansprüche Vergleichsverhandlungen zu führen, gilt für den Mehrvergleich neues Gebührenrecht. § 60 Abs. 2 RVG setzt nämlich voraus, dass Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen sind. Dies ist bei einem Mehrvergleich nicht der Fall.
OLG Hamburg, Beschl. v. 23.9.2014 – 8 W 76/14
1 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zwar zulässig. In der Sache hat sie aber keinen Erfolg.
Die Rechtspflegerin des LG hat die Gebühren richtig berechnet. Dabei hat sie zutreffend berücksichtigt, dass nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls die Vergleichsgebühr für den bei Vergleichsschluss rechtshängigen Teil nach altem Gebührenrecht zu berechnen gewesen ist und für den Mehrvergleich nach neuem Recht, § 60 RVG.
Nach den zutreffenden Ausführungen der Rechtspflegerin im Kostenfestsetzungsbeschluss gilt vorliegend für den auf den Rechtsstreit bezogenen Vergleichsteil altes Recht und für den Mehrvergleich neues Gebührenrecht. Die Parteien haben – nach Klageinreichung im Juni 2013 – nach dem 1.8.2013 einen Anwalt mit nicht auf bereits rechtshängige Ansprüche bezogenen Vergleichsverhandlungen beauftragt. Werden Einigungsgespräche vor Gericht teilweise zu anhängigen, teilweise zu anderen Ansprüchen geführt und hat der Rechtsanwalt auch für die nicht anhängigen Gegenstände einen Verfahrensauftrag, entsteht teilweise eine 1,0- bzw. 1,3-Einigungsgebühr, teilweise eine 1,5-Einigungsgebühr mit der Wertgrenze aus § 15 Abs. 3 RVG. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin fehlt es damit an den Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 RVG. § 60 Abs. 2 RVG setzt nämlich voraus, dass Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen sind (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, § 60 Rn 83). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist falsch.
Das OLG verkennt, dass es auf § 60 Abs. 2 RVG gar nicht ankommt, weil bereits § 60 Abs. 1 RVG einschlägig ist. Der Mehrwertvergleich löst keine neue Angelegenheit aus, sondern ist Teil der bereits bestehenden Angelegenheit, in der der Vergleich geschlossen wird. Dann aber ist auf den Auftrag zu dieser Angelegenheit abzustellen, sodass einheitlich altes Recht gilt.
Nur nebenbei bemerkt sei, dass die Entscheidung auch falsch wäre, wenn man auf § 60 Abs. 2 RVG abstellen würde. So fällt die Terminsgebühr aus dem Gesamtwert von Verfahren und Mehrwertvergleich an. Auch bei der Einigungsgebühr und der Verfahrensgebühr ist über § 15 Abs. 3 RVG eine einheitliche Gebühr zu bilden, die nur nach einem Gebührenrecht ermittelt werden kann, nämlich nach dem alten.
Norbert Schneider
AGS 12/2014, S. 557