Leitsatz
Das Verlangen des Versicherungsnehmers gegenüber seiner Rechtsschutzversicherung auf Deckungsschutz zur Geltungsmachung von Gewährleistungsansprüchen hinsichtlich seinem vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Pkw VW ist nicht mutwillig.
LG Detmold, Urt. v. 11.8.2016 – 9 O 51/16
1 Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte, seinen Rechtschutzversicherer, auf Gewährung von Deckungsschutz in Anspruch.
Der Kläger erwarb im Jahre 2012 von der Firma B einen Pkw, der von dem sog. Abgasskandal betroffen ist. Der Kläger beabsichtigt Mängelgewährleistungsansprüche gegenüber dem Händler, in erster Linie Rücktritt vom Vertrag bzw. Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung, sowie Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller, die W2 AG, geltend zu machen.
Die Beklagte lehnte Deckungsschutz gegenüber einer Klage gegen den Händler teilweise ab. Es heißt dort unter anderem: "Es besteht jedoch kein Rechtsschutz für die beabsichtigte Geltendmachung der Nacherfüllung in Form der Lieferung eines mängelfreien Fahrzeuges, die Anfechtung des Vertrages bzw. Durchsetzung der Rückabwicklung." Als Ablehnungsgrund wurde Mutwilligkeit i.S.d. § 1 ARB genannt.
Die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers erstellten daraufhin einen Stichentscheid. Diesen Stichentscheid wies die Beklagte wegen erheblicher Abweichung von der wirklichen Sach- und Rechtslage als nicht bindend zurück.
Der Kläger trägt vor, die Beklagte sei an den Stichentscheid gebunden. Es sei unzutreffend, dass es sich bei der manipulativen Software um einen geringfügigen Mangel handele, der im Rahmen einer Rückrufaktion und eines Softwareupdates ohne nennenswerte Kosten behoben werden könne.
Die Beklagte trägt vor, die beabsichtigte Vorgehensweise gegenüber dem Händler sei mutwillig, weil der dem Kläger daraus erwachsene Nutzen in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Prozesskosten stände. Eine Behebung des Mangels sei durch ein Softwareupdate oder den Einbau eines zusätzlichen Teiles mit einem geringen Kosten- und Zeitaufwand möglich. Sollte sich später herausstellen, dass diese Nachbesserung nicht zum Erfolg geführt habe, könnten immer noch weitere rechtliche Schritte erwogen werden. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers seien auch keine neutralen Schiedsgutachter, weil sie offenbar in einer Vielzahl von Fällen ähnliche Prozesse führen wollten. Deckungsschutz für Ansprüche gegenüber der W2 AG seien schon deswegen nicht zu gewähren, weil das Fahrzeug schon beim Ankauf bzw. bei der Übergabe an den Kläger mangelbehaftet gewesen sei.
Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Stichentscheid bestehe nicht, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf verzichtet hätten.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für die beabsichtigte Rechtsverfolgung aufgrund der abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz zu gewähren.
Die Beklagte ist an den Stichentscheid gebunden. Dieser Stichentscheid konnte auch von den mit der beabsichtigten Prozessführung beauftragten Anwälten des Klägers erstellt werden. Hinweise auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Prozessbevollmächtigten des Klägers sind nicht vorhanden.
Die Bindungswirkung entfällt nicht nach § 18 Abs. 2 S. 3 ARB. Es ist nicht zu erkennen, dass die Entscheidung offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht. Hinsichtlich einer eventuellen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung, auf die sich die Beklagte in erster Linie stützt, enthält der Stichentscheid nachvollziehbare Ausführungen, die zumindest gut vertretbar sind. Dass der Mangel im Rahmen einer Rückrufaktion durch ein Softwareupdate oder ähnliche geringfügige Eingriffe endgültig behoben werden kann, ist nicht sicher. Dies räumt auch die Beklagte im Ergebnis ein. Dabei kann es auch dahinstehen, ob die Nachbesserungskosten nur den am Fahrzeug vorzunehmenden Nachbesserungsaufwand umfassen oder auch die vorangegangene Entwicklung einer neuen Software. Es ist jedenfalls offen, ob die von der W2 AG geplanten Maßnahmen ausreichen, um das Fahrzeug in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Zwar mag es sein, dass durch die geänderte Software oder ähnliche Eingriffe der manipulative Charakter der bisherigen Software beseitigt wird. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass damit andere Nachteile verbunden sind, wie zum Beispiel ständig überhöhte Abgaswerte, Leistungsverlust, Mehrverbrauch oder erhöhter Verschleiß. Daneben kann es sein, dass betroffene Fahrzeuge auch nach der Rückrufaktion in den Augen der Marktteilnehmer einen Makel behalten und damit zum Beispiel beim Verkauf im Wert gemindert sind. Die von der Beklagten angeführten gegenteiligen Presseveröffentlichungen können diese Risiken nicht entfallen lassen. Es erscheint dem Kläger auch nicht zumutbar, die schon zeitlich sowieso weiträumig geplanten Rückrufaktionen abzuwarten und zu sehen, ob er danach über ein ordnungsgemäßes Fahrzeug verfügt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich nicht nur um einen einfachen Herstellungsfehler handelt, s...