FamFG § 76 Abs. 1; ZPO §§ 120a, 172; BRAO § 48 Abs. 2
Leitsatz
Hat sich der später beigeordnete Anwalt bereits im Bewilligungsverfahren bestellt, bleibt er im weiteren Verlauf des Verfahren insoweit bis zu seiner Entpflichtung vertretungs- und zustellungsbevollmächtigt. Eine Mandatsniederlegung von seiner Seite kommt nicht in Betracht.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.6.2017 – 18 WF 302/14
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin wendet sich gegen die im Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren getroffene Ratenzahlungsanordnung.
In einem Verfahren war der Antragstellerin mit Beschl. d. FamG v. 8.7.2013 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Mit Beschl. v. 29.9.2014 änderte das AG Donaueschingen diesen Beschluss dahingehend ab, dass die Antragstellerin monatliche Raten i.H.v. 45,00 EUR auf die Verfahrenskosten zu zahlen hat.
Vor Erlass des Beschlusses hatte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mitgeteilt, dass er diese im Überprüfungsverfahren nicht vertrete. Nach Erlöschen der Vollmacht seien Zustellungen an ihn nicht mehr möglich. Die Beiordnung sei mit Abschluss des Hauptsachverfahrens beendet und gelte nicht mehr für das Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren.
Der Beschl. v. 29.9.2014 wurde der Antragstellerin persönlich am 9.10.2014 zugestellt. Der der Antragstellerin ursprünglich beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte lehnte eine Unterzeichnung des ihm zusammen mit dem Beschl. v. 29.9.2014 übermittelten Empfangsbekenntnisses unter Verweis auf seine fehlende Zustellungsvollmacht ab. Mit Schreiben v. 4.12.2014 teilte er mit, dass er den Beschl. v. 29.9.2014 heute unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsansicht entgegengenommen habe und übermittelte ein entsprechendes Empfangsbekenntnis an das AG Donaueschingen.
Mit Schriftsatz vom 8.12.2014 legte er sodann namens der Antragstellerin sofortige Beschwerde gegen den Beschl. v. 29.9.2014 ein und erklärte, die Antragstellerin habe ihn nunmehr beauftragt und bevollmächtigt, gegen diesen Beschluss Rechtsmittel einzulegen. Zur Begründung der Beschwerde wurde ausgeführt, die Antragstellerin sehe nicht ein, die Kosten tragen zu müssen. Dies sei Sache des Antragsgegners, der den Streit provoziert habe und außerdem über mehr Geld verfüge als sie.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der Monatsfrist nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO eingelegt.
Ausgehend vom Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist eine wirksame Zustellung des Beschl. v. 29.9.2014 vor dem 4.12.2014 nicht erfolgt. Die an die Antragstellerin erfolgte persönliche Zustellung am 9.10.2014 hat die Beschwerdefrist nicht in Gang gesetzt.
a) Auch nach Beendigung der Instanz bzw. des Hauptsacheverfahrens müssen Zustellungen im Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren gem. § 172 ZPO an den Verfahrensbevollmächtigten erfolgen, sofern dieser den Beteiligten im Verfahrenskostenhilfeverfahren vertreten hat und die Bestellung fortdauert (BGH FamRZ 2011, 463, juris Rn 29).
Das Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gehört zum Rechtszug i.S.d. § 172 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der von dem Beteiligten bestellte Verfahrensbevollmächtigte, in dessen Verantwortung die Verfahrensführung liegt, über den gesamten Verfahrensstoff informiert wird und sich somit in dessen Hand alle Fäden des Verfahrens vereinigen. Ein Bedürfnis an einer umfassenden Information besteht über den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus (BGH FamRZ 2011, 463, juris Rn 20, 21). Entsprechend geht der Beteiligte, der seinen Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahrenskostenhilfeverfahren beauftragt hat, auch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens davon aus, dass dieser ihn informieren und beraten wird, wenn Handlungsbedarf besteht.
b) Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin auch für das Verfahrenskostenhilfeverfahren bestellt war, nachdem er bei Verfahrenseinleitung den Verfahrenskostenhilfeantrag für die Antragstellerin gestellt hatte (BGH FamRZ 2011, 463, juris Rn 29). Zustellungen im Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren hatten daher bis zu einer Beendigung der Bestellung daher grundsätzlich an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu erfolgen.
c) Die Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin dauert bis heute fort. Seine bloße Mitteilung, dass er die Antragstellerin nicht mehr vertrete, führt zu keiner abweichenden Beurteilung.
aa) Der Antragstellerin war ihr Verfahrensbevollmächtigter mit Beschl. v. 8.7.2013 beigeordnet worden. Er kann sich daher der Mitwirkung im Überprüfungsverfahren nicht durch eine Mandatsniederlegung entziehen. Vielmehr bedarf es einer – hier nicht erfolgten – Entpflichtung nach § 48 Abs. 2 BRAO (OLG Brandenburg FamRZ 2009, 898, juris Rn 4 [= AGS 2009, 285]; LG Saarbrücken v. 20.1.2012 ...