Immer wieder wird diskutiert, ob die Zusätzliche Gebühr auch dann zu gewähren sei, wenn der Verteidiger durch seine Mitwirkung – insbesondere durch seine Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft und ggfs. mit dem Gericht – erreicht, dass es nicht zur Anklageerhebung kommt, sondern die Sache im Strafbefehlsverfahren erledigt wird. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es einen erhöhten Aufwand verursache, Staatsanwaltschaft und Gericht davon zu überzeugen, die Sache im Strafbefehlsverfahren zu erledigen und keine Anklage zu erheben.
Eine solch erweiterte Auslegung der Nr. 4141 VV ginge jedoch zu weit. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift nicht auch auf diese Fälle ausdehnen wollen. Ein eventueller Mehraufwand kann hier nur im Rahmen der Verfahrensgebühr nach § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden, löst aber keine Zusätzliche Gebühr aus. Zwar vermeidet der Erlass eines Strafbefehls letztlich auch die Hauptverhandlung, die im Falle der Zulassung der Anklage zwingend durchzuführen gewesen wäre. Jedoch erfasst Nr. 4141 VV nicht alle Fälle, in denen die Hauptverhandlung vermieden wird, sondern nur die Fälle, die der Gesetzgeber als belohnenswert angesehen hat. Dazu gehört gerade nicht der Fall, dass ohne Weiteres im Strafbefehlsverfahren entschieden wird.
Ein Anspruch auf die Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV besteht nicht, wenn der Verteidiger auf den Erlass eines vom Angeschuldigten akzeptierten Strafbefehls hinwirkt und hierdurch eine Hauptverhandlung vermieden wird. Die Befriedungsgebühr fällt nur an, wenn die Hauptverhandlung bzw. ein weiterer Hauptverhandlungstermin durch die anwaltliche Mitwirkung in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 bis 4 der Nr. 4141 VV entbehrlich wird. Diese Auflistung ist abschließend.
LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 7.8.2017 – 2 Qs 49/17, AG kompakt 2017, 88 = RVGreport 2018, 60 = RVGreport 2018, 60
Keine Zusätzliche Gebühr bei bloßer Erledigung im Strafbefehlsverfahren
Nr. 4141 VV ist nicht entsprechend anwendbar, wenn der Verteidiger auf den Erlass eines – vom Angeschuldigten akzeptierten – Strafbefehls hinwirkt und dadurch eine Hauptverhandlung vermieden wird.
LG Mannheim, Beschl. v. 7.4.2017 – 6 Qs 9/16, AGS 2017, 276 = NJW-Spezial 2017, 349 = RVGreport 2017, 262
Keine zusätzliche Gebühr bei abgesprochenem Strafbefehl
Die Konstellation, dass auf Anregung des Verteidigers seitens der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl beantragt, vom Amtsgericht erlassen und durch ausdrücklichen Rechtsmittelverzicht rechtskräftig gemacht wird, ist in den Tatbeständen von Nr. 4141 VV nicht erwähnt. Eine analoge Anwendung des Vergütungstatbestandes Nr. 4141 VV auf die Vereinbarung eines Strafbefehles scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus.
LG Kempten, Beschl. v. 2.7.2018 – 3 Qs 99/18, RVGreport 2018, 422
Beispiel
Gegen den Beschuldigten wird ermittelt. Nach mehrfachen Gesprächen erreicht der Verteidiger, dass die Staatsanwaltschaft (nur) einen Strafbefehl beantragt, den das AG antragsgemäß erlässt. Der Verteidiger prüft den Strafbefehl und rät davon ab, einen Einspruch einzulegen.
Eine Zusätzliche Gebühr entsteht nicht. Auch das Abraten reicht nicht (s. u. VIII.). Der Mehraufwand im vorbereitenden Verfahren kann jetzt durch eine Anhebung der dortigen Verfahrensgebühr abgegolten werden. Diese soll hier mit 50% über der Mittelgebühr angesetzt werden.
Im gerichtlichen Verfahren entsteht jetzt zwar auch eine Verfahrensgebühr, da mit Antrag auf Erlass des Strafbefehls das gerichtliche Verfahren beginnt; allerdings dürften hier Aufwand und Schwierigkeit unterdurchschnittlich sein, so dass hier nur von der hälftigen Mittelgebühr ausgegangen werden soll.
I. Vorbereitendes Verfahren |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
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247,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
467,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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88,83 EUR |
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Gesamt |
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556,33 EUR |
II. Erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
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82,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
16,50 EUR |
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Zwischensumme |
99,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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18,81 EUR |
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Gesamt |
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117,81 EUR |