GKG §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2
Leitsatz
Wird die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, beginnt die Frist für die Streitwertbeschwerde mit Eingang der letzten Erledigungserklärung bei Gericht.
VGH München, Beschl. v. 10.9.2020 – 9 C 20.1533
1 Aus den Gründen
Die von den Bevollmächtigten der Klägerin in eigenem Namen eingelegte Beschwerde (§ 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 S. 1 RVG), mit der eine Heraufsetzung des vom VG unter Nr. 3. des Beschl. v. 20.11.2019 festgesetzten Streitwerts von 5.000,00 EUR auf 7.500,00 EUR begehrt wird, ist unzulässig.
Über die Beschwerde entscheidet nach § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 S. 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter.
Die Beschwerde ist verfristet.
Nach § 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG ist die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Frist beginnt auch dann, wenn sich das gesamte Verfahren anders als durch den Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsache erledigt hat. Dies ist der Fall, wenn beide Parteien die Hauptsache – hier nach § 161 Abs. 2 VwGO – übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die 6-Monatsfrist beginnt dann mit der Wirksamkeit der Erledigungserklärungen, also mit dem Eingang der letzten Erklärung bei Gericht (BayVGH, Beschl. v. 7.12.2020 – 20 C 10.2748, juris Rn 2; BayLSG, Beschl. v. 3.3.2010 – L 2 U 274/09 B, juris Rn 12; HessVGH, Beschl. v. 18.5.2017 – 6 E 355/17, juris Rn 5; Toussaint, in: Hartmann/Toussaint, KostR, 50. Aufl., 2020, § 63 GKG Rn 83; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 1.10.1990 – 4 NB 17.90, juris Rn 6 zur Klagerücknahme). Denn mit Zugang der letzten Erklärung bei Gericht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.11.1999 – 5 B 214.99, juris Rn 4; Oestreich, in: Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG – FamGKG, Stand Juni 2020, § 68 Rn 24) wird im Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen die Rechtshängigkeit unmittelbar beendet (vgl. Clausig, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Jan. 2020, § 161 Rn 17; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 161 Rn 71; R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., 2020, § 161 Rn 15).
Der Gesetzeswortlaut stellt insoweit eindeutig auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache bzw. der anderweitigen Erledigung des Verfahrens und nicht auf den Zeitpunkt der Streitwertfestsetzung durch das Gericht ab. Dies dient dem gesetzgeberischen Ziel, das Verfahren in angemessenem zeitlichen Rahmen endgültig abzuschließen (vgl. BT-Drucks 7/2016, 74), zumal der gerichtliche Einstellungsbeschluss im Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen nur deklaratorisch wirkt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.8.1998 – 4 B 75.98, juris Rn 3). Es kommt damit nicht auf eine eventuelle spätere Streitwertfestsetzung durch das Gericht an (Oestreich, in: Oestreich/Hellstab/Trenkle, a.a.O., § 68 Rn 24). Dies entspricht auch der systematischen Auslegung. Wenn das Gericht den Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der in § 63 Abs. 3 S. 2 GKG gesetzten Frist festsetzt, läuft die Beschwerdefrist nach § 68 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 GKG ausnahmsweise noch einen Monat nach der förmlichen Zustellung oder formlosen Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses. Insofern wird ggf. eine Fristverlängerung gewährt, die sich aber auf den Beginn der Frist nicht auswirkt (HessVGH, Beschl. v. 18.5.2017 – 6 E 355/17, juris Rn 8).
Hier wurde das Verfahren am 15.11.2019 beendet, da zu diesem Zeitpunkt die zustimmende Erledigungserklärung des Beklagten auf die Erledigungserklärung der Bevollmächtigten der Klägerin v. 4.11.2019 mit Schriftsatz v. 12.11.2019 bei Gericht einging.
Die 6-Monatsfrist des § 68 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG begann damit am 16.11.2019 zu laufen und endete am 15.5.2020 (§§ 186 ff. BGB). Die Beschwerde der Bevollmächtigten der Klägerin v. 20.5.2020 ist damit verfristet. Wiedereinsetzungsgründe (vgl. § 68 Abs. 2 GKG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich; eine Änderung von Amts wegen gem. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG kommt nach Fristablauf nicht mehr in Betracht.
AGS 12/2020, S. 579