Die gem. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. Abs. 3 S. 2 RVG zulässige Beschwerde der Landeskasse hat in der Sache Erfolg.
Die Strafkammer hat dem Terminsvertreter des Nebenklägervertreters zu Unrecht auch für den Hauptverhandlungstag v. 7.10.2019 die beantragte Gebühr nebst Umsatzsteuer gem. Nr. 4120 VV, Nr. 7008 VV zuerkannt.
Am Ende des Hauptverhandlungstermins v. 2.10.2019 hatte der Vorsitzende angeordnet, dass die Verhandlung am 7.10.2019 um 9.00 Uhr fortgesetzt werde. Sodann waren die Termine v. 7. u. v. 8.10.2019 wegen einer Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben worden.
Der Anruf der Geschäftsstelle, mit dem Rechtsanwalt E. von der Aufhebung der Termine v. 7. u. v. 8.10.2019 informiert worden war, erreichte diesen nach Antritt der Fahrt auf der BAB 2 kurz vor dem Dreieck Braunschweig-Nord.
Die Entfernung zwischen Burgwedel und dem LG Magdeburg beträgt rund 150 km (1 Stunde 50 Minuten). Zur Zeit des Anrufs der Geschäftsstelle hatte Rechtsanwalt E. eine Strecke von rund 60 km zurückgelegt.
Gem. Vorbem. 4 Abs. 3. S. 2 u. 3 zu VV erhält ein Rechtsanwalt eine Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die gerichtliche Terminsgebühr setzt also die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einer Hauptverhandlung nach Aufruf der Sache voraus und erfordert die Anwesenheit in seiner Eigenschaft als Verfahrensbeteiligter Rechtsanwalt (vgl. Hartmann/Toussaint, KostR, 49. Aufl., VV 4106, 4107 Rn 7). Dabei ist unerheblich, in welchem Umfang ein Rechtsanwalt in einem Termin seine Tätigkeit entfaltet. Maßgeblich für die Entstehung der Terminsgebühr ist also nach dem eindeutigen Wortlaut der zitierten Bestimmung die Teilnahme des Rechtsanwalts im Hauptverhandlungstermin.
Von dieser Regelung abweichend erhält ein Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV). Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder der Verlegung des Termins Kenntnis erlangt hat (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 3 VV).
Nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften setzt also das Entstehen der Terminsgebühr in diesem Ausnahmefall seine körperliche Anwesenheit im Gerichtsgebäude voraus.
Entgegen dem angefochtenen Beschluss, der sich wohl der in der Lit. vertretenen Ansicht, vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., Vorbem. 4 VV Rn 40, anschließt, geht der beschließende Senat davon aus, dass der Begriff des Erscheinens keiner Auslegung zugänglich ist. Der Begriff des Erscheinens bedarf auch keiner engen Auslegen, sondern bezieht sich eindeutig auf eine körperliche Anwesenheit, OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.11.2011 – 2 Ws 135/11. Wollte man bereits die Anreise zu einem Gerichtstermin für ein Erscheinen i.S.d. Vorschrift ausreichen lassen, würde dies zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen, vgl. OLG München, Beschl. v. 13.11.2007 – 1 Ws 986/07 [= AGS 2008, 233], und Beschl. v. 23.4.2018 – 6 St (K) 12/18 [= AGS 2018, 339]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.11.2011 – 2 Ws 135/11.
Eine Anreise kann nämlich auf verschiedene Arten erfolgen. Beginnt die Anreise schon dann, wenn ein ortsansässiger Rechtsanwalt, der das Gerichtsgebäude zu Fuß aufsucht, sein Büro verlassen hat, oder ist eine Annäherung an das Gebäude erforderlich? Hätte vorliegend die Anreise schon beim Losfahren am Kanzleisitz des Rechtsanwalts begonnen? Kann eine dem Erscheinen gleichzusetzende Anreise erst angenommen, wenn 1/3 oder mehr der Wegstrecke zurückgelegt worden ist?
Diese Unsicherheiten in der Abgrenzung zeigen, dass das Erscheinen des Rechtsanwalts i.S.v. Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV erst anzunehmen ist, wenn dieser körperlich im Gericht anwesend ist.
Wie das OLG München in der oben zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2018 ausgeführt hat, findet die Ansicht des Senats ihre Bestätigung in den Gesetzesmaterialen, BT-Drucks 15.1971, dass der Gesetzgeber den nutzlosen Zeitaufwand nur in den Fällen vergütet wissen will, in denen der Rechtsanwalt auch zu einem Hauptverhandlungstermin erscheint.
Nach alledem ist am 10.10.2019 eine Terminsgebühr gem. Nr. 4120 VV i.V.m. Vorbem. 4 Abs. 3 VV nicht angefallen.
AGS 12/2020, S. 569 - 570