§ 11 Abs. 5 RVG
Leitsatz
Der bloße Einwand, die Rechnung des Anwalts sei bezahlt, ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren unbeachtlich. Auch wenn kein substantiierter Vortrag erforderlich ist, müssen doch zumindest konkrete Angaben zu den angeblichen Zahlungen zu machen. Ob diese Zahlungen tatsächlich geleistet und auf die zur Festsetzung angemeldete Vergütung zu verrechnen sind, ist nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu prüfen, sondern bleibt dem Erkenntnisverfahren vorbehalten.
Bay. VGH, Beschl. v. 4.10.2021 – 4 C 21.1934
I. Sachverhalt
Der Anwalt hatte gegen die früheren Mandanten das Vergütungsfestsetzungsverfahren wegen einer offenen Honorarforderung i.H.v 1.926,97 EUR eingeleitet, da diese nicht gezahlt hatten. Auf den Festsetzungsantrag hin hatten die Antragsgegner zunächst lediglich eingewandt, der Rechtsanwalt habe "seine Forderungen zur Zahlung stets erhalten". Darüber hinaus haben die Antragsgegner als Belege noch kopierte Banküberweisungen mit Einzelbeträgen von 281,89 EUR, 500,00 EUR und 214,20 EUR vorgelegt. Das VG hat den Festsetzungsantrag gem. § 11 Abs. 5 RVG wegen nicht gebührenrechtlicher Einwände (Erfüllungseinwand) zurückgewiesen. Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat der VGH teilweise stattgegeben und 930,88 EUR festgesetzt.
II. Grundsätzlich kein substantiierter und schlüssiger Vortrag erforderlich
Nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG genügt grds. schon die bloße Erhebung einer nichtgebührenrechtlichen Einwendung oder Einrede, um die Titulierung der anwaltlichen Vergütung im Festsetzungsverfahren auszuschließen; eine schlüssige Darlegung ist dabei nicht erforderlich.
III. Unbeachtlichkeit substanzloser Einwände
Anders verhält es sich lediglich dann, wenn der Einwand offensichtlich haltlos, gleichsam "aus der Luft gegriffen" ist oder wenn er erkennbar rechtsmissbräuchlich eingesetzt wird. Die Einwendung darf sich nicht in einer abstrakten Rechtsbehauptung oder in einer bloßen Unmutsäußerung über die anwaltliche Tätigkeit des Anspruchstellers erschöpfen, sondern muss an bestimmte Gegebenheiten des dem Festsetzungsverfahren vorangegangenen Gerichtsverfahrens bzw. an näher bezeichnete Aspekte der dieses Verfahren betreffenden anwaltlichen Tätigkeit anknüpfen, sodass erkennbar wird, aus welchem konkreten Lebenssachverhalt der Anspruchsgegner eine Einwendung oder Einrede gegen die Honorarforderung herleitet. Ausgehend hiervon hat der Antragsgegner nur hinsichtlich eines Teilbetrags des beantragten Vergütungsanspruchs eine beachtliche Einwendung erhoben.
IV. Belegvorlage reicht aus
Der zunächst erhobene allgemeine Einwand, die Rechnungen des Rechtsanwalts seien stets bezahlt worden, reichte für sich betrachtet mangels Bezugnahme auf ein bestimmtes Verfahren noch nicht aus. Mit der Vorlage der Belege ist der Vortrag aber hinsichtlich der dort aufgeführten Zahlungen hinreichend substantiiert dargetan worden, sodass der Festsetzungsantrag i.H.d. belegten Zahlungen von 996,09 EUR zurückzuweisen war. Ob diese unstreitig erfolgten Zahlungen tatsächlich auf den hier geltenden gemachten Vergütungsanspruch zu verrechnen sind, ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen, sondern der Klärung in einem etwaigen zivilgerichtlichen Honorarprozess vorbehalten. Weitere Zahlungen konnten dagegen nicht berücksichtigt werden. Dazu wären zumindest Darlegungen zum Zeitpunkt und zur Art der Zahlung erforderlich gewesen.
V. Teilfestsetzung bei nur teilweise beachtlichen Einwänden
Hinsichtlich des weiteren Betrags, also des Differenzbetrags von (1.926,97 – 996,09 =) 930,88 EUR fehlt es allerdings an einer im Festsetzungsverfahren beachtlichen Einwendung, sodass den Antragstellern – bei Hinzurechnung ihrer Zustellauslagen i.H.v. 4,11 EUR – eine noch zu zahlende Vergütung von insgesamt 934,99 EUR zuzusprechen ist.
VI. Bedeutung für die Praxis
1. Gesteigerte Anforderungen beachten
Auch wenn nach wie vor eine Substantiierung der Einwände im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht gefordert wird, ist doch zu beobachten, dass die Rspr. zunehmend höhere Anforderungen an die erhobenen Einwände stellt und – wie hier – konkrete Angaben fordert. Der Anwalt sollte sich also durch zu unbestimmte Einwendungen nicht abhalten lassen, seinen Antrag weiterzuverfolgen und ggfs. Beschwerde zu erheben. Während der Rechtspfleger gerne den Antrag zurückweist, wenn Einwendungen erhoben werden, befassen sich die Beschwerdegerichte – wie hier – genauer mit der Sache.
2. Teilfestsetzung möglich
Des Weiteren ist zu beachten, dass Einwände, die – wie hier – nur einen Teil der zur Festsetzung angemeldeten Vergütungsforderung betreffen, die Festsetzung i.Ü. nicht hindern, sondern dass i.Ü. – wie hier – antragsgemäß festgesetzt werden muss.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 12/2021, S. 543 - 544