1. Endlich mal (wieder) eine OLG-Entscheidung betreffend §§ 198 f. GVG in Zusammenhang mit nur zögerlicher Festsetzung von Pflichtverteidigergebühren. Darüber wird von Pflichtverteidiger nach Beendigung des Verfahrens häufig geklagt. Denn immer wieder wird ihren Festsetzungsanträgen entgegengehalten, dass darüber erst nach Rechtskraft und Rückkehr der Akten aus der Rechtsmittelinstanz und oder sogar erst nach Einleitung der Vollstreckung entschieden werden könne. Da wartet der Pflichtverteidiger dann schnell mehr als nur (vorwerfbar) fünf Monate auf seinen "Arbeitslohn", wenn man bedenkt, wie lange ggfs. ein sich an ein Berufungsverfahren anschließendes Revisionsverfahren beim OLG oder eine Revision beim BGH dauern kann. Wenn dann sogar noch die Einleitung der Strafvollstreckung abgewartet werden soll, sind nicht selten zwei Jahre oder mehr verstrichen, bis dann endlich festgesetzt wird. Daher ist die Entscheidung gute Munition für den Pflichtverteidiger, die Festsetzungsverfahren dann vielleicht endlich beschleunigen zu können. Denn das OLG hat zumindest der immer wieder anzutreffenden Praxis von Urkundsbeamten, bis zur Rückkehr der Akten aus der Rechtsmittelinstanz die Hände in den Schoß zu legen, einen Riegel vorgeschoben und verlangt – m.E. zu Recht – ein Tätigwerden in Form des Zurückforderns der Akte, um das Festsetzungsverfahren weiter zu betreiben.

In der Pflicht sind an der Stelle dann aber auch die Rechtsmittelgerichte und ggfs. die Staatsanwaltschaften, die sich um die möglichst schnelle Rücksendung der Akten kümmern müssen, wenn sie bei ihnen nicht mehr benötigt werden. Und das ist nach der einen Terminierung der Fall. Dann gehören die Akten nicht in einen Aktenschrank, wo sie bis zum Termin vor sich hinschlummern, vielmehr müssen die Akten an das erstinstanzliche Gericht zurückgeschickt werden. Ebenso ist ggfs. nach Zustellung des Urteils zu verfahren, wenn der Eingang der Revisionsbegründung abgewartet wird. Eine davon abweichende Praxis sieht das OLG ausdrücklich als "rechtswidrige Praxis" an. Und man sollte nicht übersehen: Das OLG verlangt nicht nur die einmalige Aufforderung zur Rücksendung der Akten, sondern auch die Erinnerung bzw. die Wiederholung der Rücksendungsaufforderung. Damit korrespondiert m.E. die Verpflichtung des Rechtsmittelgerichts dem Ausgangsgericht mitzuteilen, warum nicht und wann mit der Rücksendung der Akten gerechnet werden kann.

Man kann m.E. i.Ü. trefflich darum streiten, ob nicht sogar die Anlegung eines Aktendoppels verlangt werden muss, was das OLG wegen des "damit verbundenen Zeit- und Materialaufwandes" verneint. Dem mag man in einem Verfahren, wie es hier offenbar vorgelegen hat, noch folgen. M.E. kann man das aber nicht in umfangreichen Verfahren mit mehreren Verteidigern. Dann wird man, wenn nicht so oder so schon ein Kostenband existiert, dessen Anlegung fordern müssen, damit die eingehenden Festsetzungsanträge zeitnah beschieden werden können.

2. Hinsichtlich der Höhe der gewährten Entschädigung liegt die Entscheidung auf der Linie der bisherigen Rspr., die bei verzögerter Festsetzung in Verfahren mit geringem Streitwert eine Abweichung von der Regelentschädigung nach unten bejaht. Aber eben: Geringer Streitwert und/oder geringer Festsetzungsbetrag bei Gebühren in Strafverfahren. Das kann bei einer Pauschgebühr nach § 51 RVG schon ganz anders aussehen.

3. So groß die Freude von Verteidigern über die Entscheidung sein wird: Sie sind natürlich auch selbst in der Pflicht. Nicht nur, dass der Festsetzungsantrag so gestellt werden sollte, dass verzögernde Rückfragen des Kostenbeamten nicht erforderlich sind, sondern es muss dann auch alles getan werden, um ggfs. einen Entschädigungsbetrag geltend machen zu können. Also Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG unter Beachtung der Frist des § 198 Abs. 3 S. 3 und der Klagefristen des § 198 Abs. 5 GVG (wegen der Einzelheiten Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 3323 m.w.N.).

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 12/2021, S. 570 - 573

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