Leitsatz (amtlich)
Das beim Amtsgericht zu führende Verfahren zur Festsetzung erstinstanzlicher Pflichtverteidigerkosten kann eine im Sinne von § 198 GVG unangemessen lange Verfahrensdauer haben, wenn es vom zuständigen Rechtspfleger grundsätzlich so betrieben wird, dass die Vergütungsfestsetzung bis zur Rücksendung der Akten aus der Rechtsmittelinstanz nicht abschließend bearbeitet wird, und während der Dauer der Aktenversendung auch eine Anfrage beim Rechtsmittelgericht unterbleibt, um die Akten für den kurzen Bearbeitungszeitraum einer Vergütungsfestsetzung zurück zu erlangen.
Normenkette
GVG § 198
Tenor
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 200,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.02.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 76 % und das beklagte Land 24 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, verlangt von dem beklagten Land mit dem Vorwurf einer überlangen Verfahrensdauer für die Festsetzung von erstinstanzlich angefallenen Pflichtverteidigergebühren in einem gegen A vor dem AG Rahden geführten Strafverfahren 5 Ds - 586 Js 1844/17 - 72/18 die Zahlung einer Geldentschädigung.
Das Strafverfahren nahm - soweit hier von Bedeutung - folgenden Verlauf:
Mit Beschluss vom 18.06.2018 eröffnete das AG Rahden die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten A und bestellte die Klägerin zur Pflichtverteidigerin. Der Abschluss der Hauptverhandlung erfolgte am 30.04.2019. Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren sowie zur Unterbringung in eine Entziehungsanstalt verurteilt. Noch am gleichen Tage beantragte die Klägerin die Festsetzung ihrer Pflichtverteidigergebühren. Am 07.05.2019 legte sie sodann für den Angeklagten Rechtsmittel ein. Nachdem zunächst am 04.06.2019 der zuständige Richter die Übersendung der Akten an die StA Bielefeld verfügt hatte, lag die Akte am 05.06.2019 der für die Festsetzung zuständigen Rechtspflegerin vor. Mit Verfügung von diesem Tage bat sie die Klägerin um Überprüfung ihrer Kostenrechnung und um Einreichung einer berichtigten Rechnung. Soweit in der Rechnung Kopierkosten geltend gemacht waren, bat sie um Einreichung der gefertigten Kopien. Ferner bat sie um Erläuterung von Abwesenheitszeiten und der für Fahrten angesetzten Kilometerzahl. Abschließend erteilte sie den Hinweis: "Ich weise Sie allerdings bereits jetzt darauf hin, dass die Bearbeitung des Antrags erst nach Aktenrückkehr aus der Berufungsinstanz erfolgen kann."
Mit Schriftsatz vom 05.07.2019 erklärte die Klägerin, dass das eingelegte Rechtsmittel als Berufung geführt werden soll. Daraufhin übersandte die StA Bielefeld am 11.07.2019 die Strafakten an das Landgericht Bielefeld. Mit Verfügung vom 26.08.2019 regte die zuständige Richterin beim LG Bielefeld nach bereits erfolgter Zustimmung der Staatsanwaltschaft gegenüber der Klägerin die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten gegen Geld- und Therapieauflagen an. Mit Schriftsatz vom 20.09.2019 erläuterte die Klägerin gegenüber dem AG Rahden ihre Kostenrechnung und kündigte angesichts der voraussehbaren Bearbeitungszeit die Erhebung einer Verzögerungsrüge an. Am 23.09.2019 teilte die Rechtspflegerin der Klägerin mit, dass die Bearbeitung des Vergütungsantrages erst nach Aktenrückkehr erfolgen könne. Mit Schriftsatz vom 21.10.2019 erklärte die Klägerin für den Angeklagten A das Einverständnis mit dem Vorgehen gemäß § 153 a StPO. Das Landgericht beschloss daraufhin die vorläufige Einstellung des Verfahrens und legte gegenüber dem Angeklagten Zahlungs- und Therapieauflagen fest. Mit Schriftsatz vom 19.11.2019 erhob die Klägerin gegenüber dem AG Rahden bezüglich der Gebührenfestsetzung Verzögerungsrüge. Mit Verfügung vom 29.11.2019, ausgeführt am 13.01.2020, teilte die Rechtspflegerin ihr daraufhin mit, sie müsse noch die von ihr berechneten Kopien im Original vorlegen, zudem bleibe es dabei, dass die weitere Bearbeitung des Kostenantrags erst nach Rückkehr der Akten erfolgen könne. Am 29.04.2020 stellte das Landgericht Bielefeld das Strafverfahren nach Erfüllung der Auflagen durch den Angeklagten ein. Unter dem 20.05.2020 erhob die Klägerin beim AG Rahden erneut Verzögerungsrüge. Am 03.06.2020 wurden der Klägerin die Verteidigergebühren für ihre Tätigkeit in II. Instanz aufgrund ihres Antrages vom 11.05.2020 angewiesen. Mit Schreiben vom 08.06.2020 mahnte die Klägerin die Bescheidung ihres Kostenantrages für die I. Instanz an. Am 17.06.2020 setzte das Amtsgericht die Vergütung der Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 30.04.2019 auf 1.135,14 Euro fest.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass spätestens nach ihrem Schreiben vom 20.09.2019 eine Entscheidung über ihren Kostenfestsetzungsantrag hätte getroffen werden müssen. Die für die Entscheidung erforderlichen Informationen hätten sämtlich zu diesem Zeitpunkt vorgelegen. Zur Vermeidung weiterer Verzögerung hätten entweder ein Aktendoppel g...