Die Entscheidung des BGH befasst sich mit der für die im Insolvenzverfahren wichtigen Frage der sog. Mindestvergütung und deren Erhöhung. Sie grenzt – soweit bekannt – damit erstmals für die Anwendbarkeit der gesetzlichen Erhöhungsregelung in § 2 InsVV ab zwischen dem Verfahren natürlichen oder juristischen Personen. Eine solche Abgrenzung ergibt sich indes nicht aus dem Gesetz. Die Umsetzung der BGH-Entscheidung führt daher zu einem unterschiedlichen zukünftigen Umgang im Falle der Geltendmachung der Mindestvergütung bei juristischen und natürlichen Personen. Sie hat insbesondere deshalb besondere Bedeutung, da sie im gewissen Sinne einen Richtungswechsel in der bisherigen Rspr. einläutet.
1. Bisherige h.M.
Die Mindestvergütung des vorläufigen Verwalters beträgt stets mindestens 1.400,00 EUR (seit 1.1.2021). Sie kann nach h.A. auch wegen des Vorliegens mehrerer zu berücksichtigender Gläubiger auch für den vorläufigen Verwalter erhöht werden (Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 5. Aufl., 2021, Rn 131; Vill, ZInsO 2020, 974, 979; a.A. Mock, ZInsO 2019, 643). Anders als beim endgültigen Verwalter richtet sich die zu berücksichtigende Zahl der Gläubiger nach h.A. dabei nicht nach den "angemeldeten Forderungen", da diese die Eröffnung des Verfahrens voraussetzen. Es ist vielmehr auf die im Eröffnungsverfahren beteiligten Gläubiger abzustellen, soweit mit einer Anmeldung im eröffneten Verfahren zu rechnen ist (BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZB 129/08, NZI 2010, 256 = ZInsO 2010, 493). Es kommt nicht darauf an, ob sich der vorläufige Verwalter mit diesen Forderungen konkret befasst hat, was aber schon augenscheinlich nicht mit dem Charakter einer Tätigkeitsvergütung vereinbar sein dürfte. Mithin solle also die Zahl der Gläubiger im Falle der Mindestvergütung jedenfalls eine Rolle spielen. Dabei solle auch keine Obergrenze hinsichtlich der zu berücksichtigenden Gläubigerzahl vorliegen (Vill, ZInsO 2020, 974, 976 f.; Ders., FS Kayser, 2019, 1043, 1050; wohl auch Keller, a.a.O., § 4 Rn 130; Ders., NZI 2005, 23, 26). Nach h.A. soll es zudem unerheblich sein, ob überhaupt ein masseloses Verfahren vorliegt, also ein Wahlrecht bestehen (Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2018, § 2 InsVV Rn 21 ff.; Vill, ZInsO 2020, 974, 976; Ders., FS Kayser, 2019, 1043, 1048; a.A. Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., 2019, § 2 Rn 54; Mock, ZInsO 2019, 643). Nachdem sich im vorläufigen Verfahren jedoch die Tätigkeit nicht auf die Prüfung, sondern im Wesentlichen auf die Erfassung der potenziellen Insolvenzgläubiger beschränkt, sollen insoweit Abschläge für die Erhöhungsgebühren (bis zu 75 %) anwendbar sein (in diesem Sinne auch überzeugend Vill, ZInsO 2020, 974 ff.). Ein Zuschlag soll indessen keine Rolle spielen. Nach § 11 Abs. 3 InsVV soll neben der Dauer und dem Umfang insbesondere die Art der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters von Bedeutung sein und bei erheblichen Auswirkungen auf das Tätigkeitsbild durch Zu- oder Abschläge nach § 3 Abs. 1 InsVV in die Festsetzung der angemessenen Vergütung einfließen, sodass die für den jeweiligen Einzelfall angemessene Vergütung festgesetzt werden kann (BGH NZI 2006, 235 = ZInsO 2006, 257; BGH NZI 2005, 627 = ZInsO 2005, 804; BGH NZI 2004, 251 = ZInsO 2004, 265; BGH NZI 2003, 603 = ZInsO 2003, 790). "Bei der Berechnung der Vergütung sind die Zu- und Abschläge nach § 3 des Verordnungsentwurfs zu berücksichtigen. Welche von ihnen gerechtfertigt sind, ist nach der konkreten Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters zu bestimmen, nicht nach der des späteren Insolvenzverwalters", so die ausdrückliche Begründung des Verordnungsgebers (abgedr. bei Haarmeyer/Mock, a.a.O., in Anhang 2.I.). Die Gläubigerzahl ist als quantitativer Faktor nicht berücksichtigungsfähig, da eine solche Zahl erst nach Ablauf der Anmeldefrist feststellbar ist (gleichwohl gewähren Insolvenzgerichte immer noch Zuschläge, die aber i.d.R. nur zwischen 5 und 10 % liegen).
2. Eigene Ansicht
Grds. erscheint die Anwendung der Mindestvergütungsregelungen erst dann zweckdienlich, wenn tatsächlich Massearmut vorliegt (Haarmeyer/Mock, InsVV, a.a.O., § 2 Rn 54; Mock, ZInsO 2019, 643 f.). Nach diesseitigem Dafürhalten kann § 2 Abs. 2 InsVV im Rahmen der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auch keine Anwendung finden – und zwar entgegen BGH nicht nur im Falle juristischer Personen. Zwar regelt § 10 InsVV die Anwendbarkeit der Regelungen §§ 1–9 InsVV auch für den vorläufigen Verwalter, sofern die Folgebestimmungen keine gesonderten Regelungen beinhalten. Allerdings regelt § 11 InsVV explizit "gesondert" die Vergütung des vorläufigen Verwalters. Die Bezugnahme von § 10 InsVV auf die Bestimmungen in § 2 InsVV kann nach korrektem Verständnis daher nur die Berechnung der Vergütung und die Mindestvergütung an sich umfassen, mithin aber nicht die Erhöhungsregelung des § 2 Abs. 2 InsVV. Letztere zielt nämlich bereits nach dem Gesetzeswortlauf auf die "Zahl der Anmeldenden" ab. Da eine Anmeldung im vorläufigen Verfah...