I. Fragen
1. Fall 1
Rechtsanwalt A reicht für den Kläger am 1.2.2021 bei dem zuständigen LG Zahlungsklage über 11.500,00 EUR ein. Der Beklagte beantragt durch seinen Prozessbevollmächtigten Klageabweisung. Das Prozessgericht beraumt Verhandlungstermin auf den 1.7.2021 an. Am 1.6.2021 erkrankt die Mutter des Rechtsanwalts A schwer und bedarf nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus am 20.6.2021 ständiger ganztätiger Pflege. Rechtsanwalt A übernimmt als einziger Verwandter diese Pflege und gibt aus diesem Grunde am. 25.6.2021 seine Anwaltszulassung zurück. Am 30.6.2021 beauftragt der Kläger nunmehr Rechtsanwalt B mit seiner Prozessvertretung. Rechtsanwalt B erwirkt im Verhandlungstermin ein der Klage auf Kosten des Beklagten stattgebendes streitiges Urteil.
Welche Kosten wird der zum Vorsteuerabzug berechtigte Kläger in seinem Kostenfestsetzungsantrag geltend machen? Welche Kosten sind davon erstattungsfähig?
2. Fall 2
Wegen einer fälligen und vom Beklagten bestrittenen Kaufpreisforderung i.H.v. 5.000,00 EUR korrespondiert der von dem Kläger vorgerichtlich beauftragte Rechtsanwalt K mit dem Gegenanwalt. Die anwaltlichen Bemühungen haben keinen Erfolg. Nunmehr erteilt der Kläger seinem Rechtsanwalt den Klageauftrag. Hieraufhin ruft Rechtsanwalt K den Gegenanwalt, Rechtsanwalt B an, mit dem er schon vorgerichtlich in der Kaufpreis-Angelegenheit korrespondiert hatte, und teilt diesem mit, dass er mit der Klageerhebung beauftragt worden ist. In diesem Telefonat besprechen die Anwälte die Sach- und Rechtslage und kommen zur Vermeidung eines Rechtsstreits überein, dass der Beklagte die gesamte Kaufpreisforderung und die außergerichtlichen Kosten des Klägers binnen Monatsfrist zahlt, was dann auch geschieht. Die Klageerhebung wird hierdurch entbehrlich.
Welche Gebühren und Auslagen sind den Rechtsanwälten angefallen?
II. Lösungen
1. Lösung zu Fall 1
I. Kosten des Klägers
Der Beklagte hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufgrund der Kostenentscheidung im Urt. v. 1.7.2021 die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Hierzu gehören folgende Kostenpositionen:
1. Gerichtskosten
Mit Eingang der Klageschrift bei Gericht (s. § 6 Abs. 1 GKG) ist eine 3,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 GKG KV angefallen, die sich nicht ermäßigt hat, weil keiner der in Nr. 1211 GKG KV aufgeführten Ermäßigungstatbestände eingreift. Somit sind folgende Gerichtskosten angefallen:
3,0-Verfahrensgebühr, Nr. 1210 GKG KV |
885,00 EUR |
(Wert: 11.500,00 EUR) |
|
2. Außergerichtliche Kosten
a) Rechtsanwalt A
Rechtsanwalt A hat für das Einreichen der Klageschrift (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV) nach Nr. 3100 VV eine 1,3-Verfahrensgebühr nach einem Gegenstandswert von 11.500,00 EUR verdient, die nebst den gesetzlichen Auslagen gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO erstattungsfähig ist.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
865,80 EUR |
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(Wert: 11.500,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Gesamt |
885,80 EUR |
b) Rechtsanwalt B
Auch Rechtsanwalt B hat für das Betreiben des Geschäfts (s. Vorbem. 3 Abs. 2 VV) eine Verfahrensgebühr verdient. Da der Rechtsanwalt den Verhandlungstermin vom 1.7.2021 für seinen Mandanten wahrgenommen hat (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV), ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV mit einem Gebührensatz von 1,3 angefallen. Es kommt somit nicht darauf an, ob Rechtsanwalt B weitere unter den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr fallenden Tätigkeiten entfaltet hat.
Die Wahrnehmung des Verhandlungstermins hat daneben nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV ausgelöst.
Für die Tätigkeit des Rechtsanwalts B sind somit folgende Gebühren und Auslagen angefallen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
865,80 EUR |
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(Wert: 11.500,00 EUR) |
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
799,20 EUR |
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(Wert: 11.500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Gesamt |
1.685,00 EUR |
II. Kostenerstattung
Der Umstand, dass der Kläger nacheinander von zwei Rechtsanwälten als Prozessbevollmächtigte vertreten worden ist, hat Mehrkosten ausgelöst. Für die Vertretung durch nur einen einzigen Rechtsanwalt, dessen Gebühren und Auslagen gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO kraft Gesetzes erstattungsfähig sind, wären nämlich nur entstanden:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
865,80 EUR |
|
(Wert: 11.500,00 EUR) |
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
799,20 EUR |
|
(Wert: 11.500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Gesamt |
1.685,00 EUR |
Es sind somit durch die Vertretung des Rechtsanwalts B mit der 1,3-Verfahrensgebühr i.H.v. 865,80 EUR und der Postentgeltpauschale i.H.v. 20,00 EUR Mehrkosten i.H.v. 885,80 EUR angefallen. Diese sind nach § 91 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO nur erstattungsfähig, wenn in der Person des Rechtsanwalts A ein Wechsel eintreten musste. Objektiv war dies der Fall, da Rechtsanwalt A den Kläger nach Rückgabe der Anwaltszulassung nicht mehr vertreten konnte und der Kläger wegen des vor dem LG herrschenden Anwaltszwangs einer weiteren anwaltlichen Vertretung bedurfte. Daneben muss der Anwaltswechsel auf Umständen beruhen, die der Kläger und auch der Rechtsanwalt A nicht hätten voraussehen können oder in zumutbarer Weise hätten verhindern können. Als Rechtsanwalt A die Prozessvertretung d...