Die Entscheidung ist zutreffend.
1. Folgen der Aufhebung der Bestellung
Der Rechtsanwalt ist im Vertrauen auf die durch das AG erfolgte Beiordnung tätig geworden. Damit waren die Gebühren Nrn. 4100, 4106 VV entstanden. Sie fallen dann später nicht wieder dadurch weg, dass die Pflichtverteidigerbestellung aufgehoben wird (so auch LG Kaiserslautern RVGreport 2019, 135 = JurBüro 2019, 245 = RVGprofessionell 2019, 111). Das würde, worauf das AG zutreffend hinweist, dem aus § 15 Abs. 4 RVG folgenden Grundsatz, dass nachträgliche verfahrensrechtliche Änderungen keinen Einfluss auf bereits entstandene Gebühren haben, widersprechen. Alles andere wäre – da ja zunächst eine wirksame Pflichtverteidigerbestellung vorgelegen hat – auch widersinnig und würde dazu führen, dass der Rechtsanwalt, der in gutem Glauben auf die Wirksamkeit der Bestellung tätig geworden ist, letztlich zum Nulltarif gearbeitet hätte. Das wäre ein wenig viel Sonderopfer. Man muss sich dies nur mal in den Fällen vor Augen führen, in denen der Rechtsanwalt nicht unmittelbar nach der Beiordnung wieder entpflichtet wird, also zu einem Zeitpunkt, in dem er noch nicht so viel Tätigkeiten erbracht hat. Dann wäre/würde das Loch in der Kasse ggfs. noch größer. I.Ü.: Hätte der Kostenbeamte Recht, würde das zudem bedeuten, dass vom Rechtsanwalt für den ehemaligen Mandanten während des Beiordnungszeitraum erbrachte Handlungen, z.B. Rechtsmitteleinlegungen, nachträglich unwirksam würden.
2. Vorheriges Wahlmandat
Das gilt auch hinsichtlich der nicht tragenden "Hilfserwägungen" des AG zu den Ausführungen des Bezirksrevisors. Mir erschließt sich nicht, was fehlende Schutzbedürftigkeit/fehlender Vertrauensschutz und ein ggfs. zunächst begründetes Wahlanwaltsmandat mit den Pflichtverteidigergebühren zu tun haben sollen. Die Ansprüche des Verteidigers auf ggfs. entstandene Wahlanwaltsgebühren und/oder auf die gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers sind, worauf man immer wieder hinweisen muss, unterschiedliche Gebührenansprüche, die nichts miteinander zu tun haben (BVerfG StraFo 2009, 274 = JurBüro 2009, 418 = NJW 2009, 2735 = RVGprofessionell 2009, 167 = StV 2010, 87; OLG Frankfurt am Main JurBüro 2011, 34; LG Magdeburg RVGreport 2014, 343 = StRR 2014, 269 = RVGprofessionell 2014, 135). Die Wahlanwaltsvergütung hat ihren Ursprung in der Begründung des Wahlmandats, die gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers in der Bestellung des Rechtsanwalts (§ 45 RVG). Ggfs. erfolgt zwar eine Anrechnung der Wahlanwaltsvergütung auf die gesetzlichen Gebühren (§ 58 RVG). Das ändert aber an der Eigenständigkeit der beiden Gebührenansprüche nichts und hat schon gar nichts mit Schutzbedürftigkeit/Vertrauensschutz zu tun. Letzteres ist ein Argument aus der Klamottenkiste des hier mit der Sache befassten Bezirksrevisors, was er schnell dort wieder hineinpacken sollte. Es liegt neben der Sache. Da hilft dann auch nicht die Überlegung, dass ein Pflichtverteidiger ggfs. nur beigeordnet wird, wenn der Angeschuldigte noch keinen Verteidiger hat. Denn: Im Antrag eines Wahlverteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger ist die Ankündigung der Niederlegung des Wahlmandats für den Fall der Beiordnung zu sehen (vgl. für das neue Recht der Pflichtverteidigung LG Aurich, Beschl. v. 5.5.2020 – 12 Qs 78/20; LG Freiburg, Beschl. v. 26.8.2020 – 16 Qs 40/20, NStZ 2021, 191; LG Magdeburg, Beschl. v. 20.2.2020 – 29 Qs 2/20; Beschl. v. 15.5.2020 – 21 Qs 47 u. 48/20; Beschl. v. 4.6.2020 – 25 Qs 47 u. 48/20, StraFo 2020, 371 = StRR 10/2020, 23 = StV 2021, 164; LG Passau, Beschl. v. 26.1.2021 – 1 Qs 6/21; AG Schwerin, Beschl. v. 25.8.2021 – 36 Gs 1449/21). Damit ist man dann wieder bei § 15 Abs. 4 RVG.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 12/2021, S. 548 - 550