Es ist bedauerlich, dass sich der Einzelrichter des BGH mit den Maßstäben für die Bemessung des Gegenstandswertes nur sehr kurz befasst hat und dabei nur auf eine einzige Gerichtsentscheidung verwiesen hat.
1. Ausgangspunkt der Wertermittlung
Im Hauptsacheverfahren und auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geht es um verschiedene Ansprüche des Gläubigers. Zunächst beinhaltet der entsprechende Antrag die Duldung der Einstellung der Gas- oder Stromversorgung durch Sperrung der installierten Messeinrichtung. Damit der Schuldner nach Sperrung des Gas- und Stromzählers durch Manipulationen nicht unberechtigt weiter Energie bezieht, beinhaltet der Gläubigerantrag im Regelfall auch den Anspruch auf Gewährung des Zugangs zu dem entsprechenden Zähler und auf Duldung des Zugangs zu den Räumlichkeiten, in denen sich der Zähler befindet, sowie auf Duldung des Ausbaus des Zählers. Da das GKG für derartige Ansprüche keine eigenständige Regelung enthält, ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG auf den auf die für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften der ZPO zurückzugreifen. Da auch die ZPO keine eigenständigen Regelungen betreffend die Herausgabe von Zählern usw. enthält, ist auf die allgemeine Regelung des § 3 ZPO zurückzugreifen, wonach der Wert von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt wird. Für die Bemessung dieses freien Ermessens kommt es darauf an, welchen Wert die mit der Zielsetzung des Klägers/Gläubigers verfolgten Maßnahmen haben.
2. Streitwertbemessung im einstweiligen Verfügungsverfahren
Die einstweilige Verfügung ist regelmäßig auf Duldung der Einstellung der Gas- oder Stromversorgung durch Sperrung des installierten Zählers gerichtet. Weitere Maßnahmen wie die Gewährung des Zugangs oder die Duldung des Ausbaus des Zählers sind vielfach nicht Gegenstand des Verfügungsverfahrens, weil dadurch sonst die Hauptsache vorweggenommen werden würde.
Für die Bewertung des Streitwertes einer solchen einstweiligen Verfügung ist somit auf den Zeitraum abzustellen, der üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und dem Vorliegen einer entsprechenden vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung liegt. Der voraussichtlich in diesem Zeitraum anfallende Verbrauch an Energie spiegelt deshalb das mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgte Interesse des Versorgungsunternehmens wider. Dem Versorgungsunternehmer geht es mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung um Durchsetzung seines Zurückbehaltungsrechts durch Unterbrechung der Strom- bzw. Gasversorgung. Im einstweiligen Verfügungsverfahren geht es somit nicht um die Herausgabe und den Besitz des Zählers oder gar um aufgelaufene Rückstände.
Für die Streitwertbemessung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geht die Rspr. überwiegend davon aus, dass üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und der Erlangung einer vollstreckbaren Entscheidung ein Zeitraum von sechs Monaten liegt, der auch unter Berücksichtigung der Einlegung eines Widerspruchs gem. § 924 ZPO oder eines Rechtsmittels im Regelfall ausreicht. Deshalb geht für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die überwiegende obergerichtliche Rspr. davon aus, dass sich der Streitwert nach den für sechs Monate zu zahlenden Abschlägen bemisst (OLG Köln JurBüro 2019, 138).
3. Streitwertbemessung im Klageverfahren
Dieser Maßstab wird von der wohl überwiegenden Auffassung der obergerichtlichen Rspr. auch für die Bemessung des Streitwertes in einem entsprechenden Klageverfahren angesetzt, in dem es regelmäßig auch um die Duldung des Zutritts und die Herausgabe des Zählers geht (OLG Düsseldorf MDR 2013, 809; OLG Koblenz JurBüro 2012, 473; OLG Celle NZM 2010, 639; OLG Schleswig-Holstein NJW-RR 2010, 141; OLG Frankfurt NJW-RR 2012, 445; OLG Oldenburg NJW-RR 2010, 1151; OLG Hamburg NZM 2011, 792). Demgegenüber hat das OLG Köln (ZMR 2006, 208) ebenso wie das OLG Hamburg (ZMR 2008, 891) den Streitwert für eine Klage auf Duldung der Wegnahme des Zählers usw. mit dem Betrag des einjährigen Bezuges bemessen.
Angesichts der in der obergerichtlichen Rspr. vertretenen Bandbreite hätte ich mir einige Ausführungen des BGH zu dieser Problematik gewünscht. Dies gilt auch im Hinblick auf die Verfahrensdauer bei Gericht. Im Fall des BGH ist der durch die Rechtsbeschwerde angefochtene Beschluss am 11.8.2020 ergangen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Rechtsbeschwerde im Herbst 2020 eingelegt worden ist. Bis zum Erlass des Beschlusses des BGH vom 17.6.2021 dürfte somit ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten verstrichen sein. Auch vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob ein Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH, in dem es um die verfahrensgegenständlichen Fragen geht, tatsächlich regelmäßig innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen wird.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 12/2021, S. 561 - 563