Der Entscheidung ist zuzustimmen.
1. Formerfordernisse des elektronischen Rechtsverkehrs beachten!
Auch im Bereich der Anwaltsvergütung sind zunehmend Rechtsbehelfe deshalb unzulässig, weil sie unter Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die elektronische Akte und über das elektronische Dokument nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sind. Dies gilt auch für Verfahren nach dem RVG, wie etwa die Erinnerung oder die Beschwerde gegen die Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung, aber auch im Verfahren über die Festsetzung des Gegenstandswertes oder im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG.
2. Einige Anwendungsbereiche
Dies haben die Rechtsanwälte schon mehr verinnerlicht als die Bezirksrevisoren als Vertreter der Staatskasse. So hat bspw. das OLG Bamberg (AGS 2023, 86 [Hansens]) darauf hingewiesen, dass auch die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung von PKH als elektronisches Dokument eingereicht werden muss. Gleiches gilt für die Beschwerde der Staatskasse nach § 4 Abs. 3 JVEG gegen die Festsetzung der Entschädigung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen (LG Lübeck AGS 2023, 41 [Hansens]). Und kürzlich hat der BGH (AGS 2023, 470 [Burhoff]) entschieden, dass auch der Vergütungsantrag des anwaltlichen Berufsbetreuers als elektronisches Dokument einzureichen sei. Mit der Verpflichtung zur Einreichung des Beratungshilfeantrages als elektronisches Dokument befasst sich Lissner in AGS 2021, 533 ff. Das OLG Saarbrücken (RVGreport 2020, 116 [Hansens]) hält es für erforderlich, dass der Rechtsanwalt, der seinem elektronisch gestellten Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung den Berechtigungsschein als eingescanntes Dokument beigefügt hat, das Original dieses Berechtigungsscheins dann nachreichen muss, wenn der für die Festsetzung der Vergütung zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Berechtigungsschein zur Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts für erforderlich hält. Strenger war das LG Saarbrücken (RVGreport 2019, 478 [Hansens]), das stets die Beifügung des Originals des Berechtigungsscheins auch im Falle der elektronischen Antragstellung für erforderlich gehalten hat.
3. Erfüllung der Formerfordernisse seitens der Gegenseite prüfen!
Hieraus wird ersichtlich, dass die Einführung der elektronischen Akte und die Verpflichtung zur Übermittlung von Anträgen und sonstigen Schriftsätzen als elektronisches Dokument in der Praxis nicht nur für Rechtsanwälte, sondern auch für die Vertreter der Staatskasse erhebliche Probleme aufwirft. Der Rechtsanwalt, der sich einem ihm oder seinem Mandanten nachteiligen Antrag oder Rechtsbehelf des Vertreters der Staatskasse ausgesetzt sieht, sollte deshalb überprüfen, ob diese dem Gericht auch als elektronisches Dokument zugeleitet worden sind. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte der Rechtsanwalt die Unzulässigkeit des Antrags oder des Rechtsbehelfs ausdrücklich rügen. Im Falle des LSG Essen hat die Unzulässigkeit der Beschwerde des Bezirksrevisors dazu geführt, dass die Festsetzung der Vergütung rechtskräftig geworden ist.
4. Der Irrtum des Bezirksrevisors
I.Ü. wäre eine zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors von vornherein nur teilweise begründet gewesen. Dies beruht auf Folgendem: Die UdG hat die Vergütung statt auf den beantragten Betrag i.H.v. 960,79 EUR nur auf 603,79 EUR festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Erinnerung hat der Rechtsanwalt seinen ursprünglichen Festsetzungsantrag weiterverfolgt. Gegenstand des Erinnerungsverfahrens war somit die Differenz zwischen dem beantragten Betrag zu dem festgesetzten Betrag, mithin ein Vergütungsbetrag i.H.v. (960,79 EUR – 603,79 EUR =) 357,00 EUR. Das SG Gelsenkirchen hätte deshalb nur weitere 357,00 EUR bzw. weitere 356,90 EUR festsetzen dürfen und nicht insgesamt 960,69 EUR.
Die gegen die auf die Erinnerung des Rechtsanwalts X ergangene Entscheidung des SG Gelsenkirchen konnte von vornherein nur darauf gerichtet sein, die Erinnerung des Rechtsanwalts zurückzuweisen. Denn Gegenstand des Erinnerungsverfahrens und des sich daran anschließenden Beschwerdeverfahrens konnte nur der Mehrbetrag an Vergütung i.H.v. 357,00 EUR bzw. 356,90 EUR sein. Da der Bezirksrevisor darüber hinaus die Herabsetzung der Vergütung auf nur 270,59 EUR begehrt hat, hat er der Sache nach auch die ursprüngliche Festsetzung durch die UdG auf 603,79 EUR in Höhe eines Teilbetrages von (603,79 EUR – 270,59 EUR =) 333,20 EUR beanstandet. Dies konnte der Bezirksrevisor nur durch Einlegung einer formgerechten Erinnerung gegen die Festsetzungsentscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erreichen, nicht hingegen mit der Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung des SG Gelsenkirchen.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 12/2023, S. 548 - 550