Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den Klägern weitere Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen eines isolierten Vorverfahrens unter Berücksichtigung einer Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV zu erstatten hat.

Die Kläger, im Einzelnen die im Jahre 1972 geborene Klägerin zu 1), der im Jahre 1967 geborene Kläger zu 2) sowie die mit ihnen zusammenlebenden Kinder als Kläger zu 3) bis 7), beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte ihnen Alg II bzw. Sozialgeld u.a. für die Monate Mai bis November 2005. Die Leistungshöhe änderte er mehrfach, ohne den jeweils vorhergehenden Bescheid insoweit aufzuheben. Dem hierauf bezogenen Widerspruch gab er in vollem Umfang statt und er verpflichtete sich zudem, die in dem vorangegangenen Widerspruchsverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten auf Antrag zu erstatten, soweit diese notwendig und nachgewiesen seien.

Der von der Klägerin zu 1) im Widerspruchsverfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt erklärte das Widerspruchsverfahren für erledigt und machte mit der Kostenrechnung v. 2.4.2007 die Übernahme von Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 680,68 EUR geltend. Der Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

 
Praxis-Beispiel
 
Geschäftsgebühr nach Nr. 2500 VV[1] 240,00 EUR
Erhöhung für mehrere Auftraggeber nach Nr. 1008 VV 288,00 EUR
Auslagenpauschale 20,00 EUR
Dokumentenpauschale (48 Kopien à 0,50 EUR) 24,00 EUR
Zwischensumme 572,00 EUR
19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV 108,68 EUR
Gesamtsumme 680,68 EUR

Der Beklagte setzte die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 337,96 EUR fest. Die Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber berücksichtigte er nicht.

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urt. d. SG Gotha v. 22.10.2007; Urt. d. Thüringer LSG v. 13.1.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber gehöre nicht zu den zweckentsprechenden Kosten des Widerspruchsverfahrens, weil bereits zivilrechtlich ein solcher Anspruch des Bevollmächtigen gegenüber weiteren Personen neben der Klägerin zu 1) nicht entstanden sei. Der Vergütungsanspruch setze ein Vertragsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber voraus, für das die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten würden. Vergütungsansprüche könnten auch ohne Vertragsschluss z.B. aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung entstehen. Zwischen dem Prozessbevollmächtigten und allen (anderen) Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft sei – auch ohne Vertragsschluss – für das Widerspruchsverfahren kein Vergütungsanspruch entstanden, weil nicht die Bedarfsgemeinschaft, sondern nur die Klägerin zu 1) aufgetreten und auch nur diese anwaltlich vertreten worden sei. Insofern könne für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auch kein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag angenommen werden. Dies erfordere, dass die Geschäfte für andere wahrgenommen werden sollten. Dies sei hier nicht der Fall, weil der Anwalt nur die Geschäfte für die Klägerin zu 1) (und dies in deren Auftrag) nach außen erkennbar wahrgenommen habe und habe wahrnehmen wollen. In der zur Stützung des Klagebegehrens in Bezug genommenen Entscheidung des BSG v. 7.11.2006 (B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1, jeweils Rn 24) habe sich das Gericht lediglich zur prozessrechtlichen Stellung der Bedarfsgemeinschaft bzw. deren einzelner Mitglieder, die allein tätig geworden seien, geäußert. Hier gehe es jedoch nicht um die prozessuale Situation, sondern um die Frage, wer im Rahmen des Mandatsverhältnisses zivilrechtlicher Vertragspartner (Auftraggeber) des Anwaltsvertrags sei. Der Grundsatz der Meistbegünstigung, der den (prozessualen) Anspruch des Einzelnen für eine Zeit der ungewissen Rechtslage wahren solle, greife nicht im Zusammenhang mit der (zusätzlichen) Kostenentstehung durch anwaltliche Vertretung.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 38 SGB II sowie der Nr. 1008 VV. Soweit das LSG meine, die Gebührenerhöhung nach der Nr. 1008 VV greife nicht, weil die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft keine Auftraggeber des Rechtsanwalts geworden seien, stünden diese Ausführungen im Widerspruch zur amtlichen Begründung zum RVG. Hiernach komme es nicht darauf an, ob gegenüber dem Anwalt eine oder mehrere Personen aufträten. Im Übrigen sei § 38 SGB II nach der Rspr. des BSG weit auszulegen. In seinem Urt. v. 7.11.2006 (B 7 AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1) habe der 7. Senat des BSG ausgeführt, dass der vermutete Vertreter aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht nur zur Antragstellung und Entgegennahme der Leistungen bevollmächtigt sei, sondern darüber hinaus alle Verfahrenshandlungen umfasst würden, die hiermit zusammenhingen und der Verfolgung des Antrags dienten. Dies betreffe auch die Einlegung eines Widerspruchs. Daneben sei der Vertreter der Bedarfsgemeinschaft berechtigt, für deren Mitglieder einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen....

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