Eine Erledigungsgebühr nach den Nrn. 1006, 1002 VV kommt nicht in Betracht. Sie entsteht in Verfahren nach § 183 SGG, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Ein Anspruch scheitert hier bereits daran, dass sich das Verfahren nicht nach Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt hat. Die Klage richtete sich nach übereinstimmender Beurteilung der Beteiligten und des Kammervorsitzenden im Termin nicht gegen einen Verwaltungsakt, sondern gegen eine Anhörung. Damit fehlt es auch an der Aufhebung oder Abänderung eines angefochtenen Verwaltungsakts.

Dem steht auch nicht die Verpflichtung der Beklagten entgegen, den Bescheid v. 18.10.2006 zu überprüfen. Eine Überprüfung nach § 44 SGB X kann zwar später zur ganzen oder teilweisen Rücknahme eines Verwaltungsakts führen, muss dies jedoch nicht. Die Erledigung des Rechtsstreits durch den "Vergleich" war gerade nicht die Folge einer Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts.

Nicht zu erstatten ist eine Einigungsgebühr nach den Nrn. 1006, 1000 VV. Diese Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, er beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1000 VV). Die Gebühr kann auch bei Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts in Betracht kommen, soweit über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1000 VV), so bei Ermessensentscheidungen (§ 53 Abs. 2 SGB X) und wenn Zweifel über die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs oder die Rechtslage beseitigt werden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 101 Rn 7a). Nr. 1000 VV weicht von der früher geltenden Regelung in § 23 Abs. 1 BRAGO ab, die durch Verweisung auf § 779 ZPO ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzte. Der Gesetzgeber hat darauf bewusst verzichtet, um Streit darüber zu vermeiden, welche Abrede noch als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten ist (vgl. BT-Drucks 15/1971 S. 147, 204). Insofern kommt es nur auf eine Einigung an (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2008 – IV ZB 11/08 und 10.10.2006 – VI ZR 280/05 [= AGS 2007, 57]), sofern nicht ein bloßes Anerkenntnis oder – wie hier – ein bloßer Verzicht vorliegen.

Die Klägerin hat in dem "Vergleich" materiellrechtlich auf das von ihr geltend gemachte Begehren verzichtet. Auf die äußere Form kommt es dabei nicht an (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, VV 1000 Rn 191). Ausreichend ist, dass der "Vergleich" – wie hier – inhaltlich eine bloße Rücknahme beinhaltet. Sie ist im sozialgerichtlichen Verfahren dem Verzicht gleichzustellen.

Nach dem Urteil des BAG v. 29.3.2006 (3 AZB 69/06) nimmt das RVG in Nr. 1000 VV Begriffe auf, wie sie in den §§ 306, 307 ZPO, die das Anerkenntnis- und Verzichtsurteil regeln, verwendet werden. Daraus sei zu schließen, dass eine vertragliche Regelung ohne weitergehende materiellrechtliche Regelung keine Einigungsgebühr auslöst. Ein Verzichtsurteil existiert im sozialgerichtlichen Verfahren nicht (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 125 Rn 3 f), denn die Beklagte hätte der Rücknahme nach § 102 Abs. 1 SGG (im Gegensatz zu § 269 Abs. 1 ZPO) nicht zustimmen müssen. Deshalb erfüllt immer auch eine rein materiellrechtliche Rücknahme ungeachtet der abgegebenen Form den Verzichtstatbestand.

Der bloßen Rücknahme steht nicht die Verpflichtung der Beklagten zur Überprüfung des Bescheids v. 18.10.2006 entgegen. Dies beinhaltet nur einen Antrag auf Rücknahme nach § 44 SGB X. Ihn muss die Beklagte immer bescheiden; ein Ermessen steht ihr insoweit nicht zu. Damit hatte die Nr. 1 des "Vergleichs" keine eigenständige Bedeutung, denn die Beklagte verpflichtete sich nur zu einem Tun, zu dem sie nach dem Gesetz und dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung ohnehin verpflichtet war.

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