Einführung
Für die Durchsetzung des sich aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. EMRK ergebenden Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit fehlten bisher eindeutige und im geltenden Recht festgeschriebene Rechtsbehelfe. Der Gesetzgeber hat diese Lücke nunmehr geschlossen und mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entsprechende Rechtsschutzverfahren eingeführt, die in §§ 198 bis 201 GVG geregelt sind. Das Gesetz ist am 3.12.2011 in Kraft getreten.
Danach kann ein Verfahrensbeteiligter eine Entschädigung erhalten, wenn er infolge der unangemessenen Dauer des Verfahrens einen Nachteil erleidet (§ 198 Abs. 1 GVG). Die Entschädigung beträgt 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung, kann aber auch höher oder niedriger festgesetzt werden (§ 198 Abs. 2 GVG). Der Beteiligte muss jedoch, um eine Entschädigung zu erhalten, zunächst bei dem mit der Sache befassten Gericht die Verfahrensdauer gerügt haben (Verzögerungsrüge). Um die Entschädigungsansprüche durchzusetzen, ist Klage zu erheben, die jedoch nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann. Zu beachten ist hier zudem die Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 S. 2 GVG, weil die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft oder anderweitiger Erledigung des Verfahrens erhoben sein muss. Die Entschädigung ist von dem Land zu zahlen, dem das Gericht angehört. Handelt es sich um ein Bundesgericht, haftet der Bund. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 201 GVG. Das Rechtsschutzverfahren kann auch für Verfahren der Fachgerichtsbarkeiten betrieben werden, entsprechende Ergänzungen der einzelnen Verfahrensordnungen wurden gleichfalls veranlasst.
Im Nachfolgenden sollen die für das Rechtsschutzverfahren nach §§ 198 ff. GVG entstehenden Anwalts- und Gerichtskosten erläutert werden.
I. Anwaltskosten
1. Verfahrensgebühr
a) Allgemeines
Der Gesetzgeber hat aufgrund der Einführung der Rechtsschutzverfahren Änderungen im RVG vorgenommen. Danach verdient der Anwalt in solchen Verfahren eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3300 Nr. 3 VV. Aus dieser neu eingefügten Vorschrift ergibt sich zugleich, dass es für die Höhe des Gebührensatzes keine Rolle spielt, ob das Rechtsschutzverfahren vor dem OLG, einem obersten Landesgericht der Fachgerichtsbarkeit oder dem BGH anhängig ist.
Es gilt im Übrigen Vorbem. 3 VV, sodass die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts entsteht (Vorbem. 3 Abs. 2 VV). Die Gebühr entsteht daher nicht erst mit Eingang der Klage bei dem entsprechenden Gericht, sondern sobald der Anwalt die erste unter diese Gebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat, was regelmäßig die nach Auftragserteilung erfolgte erste Entgegennahme von Informationen darstellt. Der Eingang einer Klageschrift hat jedoch Auswirkungen auf die Höhe der Verfahrensgebühr, da diese bei Erledigung des Auftrags vor Einreichung eines solchen Schriftsatzes bei Gericht nur mit einem 1,0-Gebührensatz entsteht (vgl. Nr. 1.2.).
In den erstinstanzlichen Rechtsschutzverfahren der Finanzgerichtsbarkeit gilt Nr. 3300 VV nicht, da dort ein entsprechender Verweis fehlt. Es entsteht daher eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV, bei vorzeitiger Auftragserledigung nach Nr. 3201 VV. Für die Terminsgebühren gilt Nr. 3202 VV.
Für die Sozialgerichtsbarkeit stellt der neu eingefügte § 3 Abs. 1 S. 3 RVG klar, dass wertabhängige Gebühren, also keine Rahmenbetragsgebühren, entstehen.
Der Auftrag muss auf die Tätigkeit in einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren gerichtet sein, weil für die außergerichtliche Vertretung Nrn. 2300 ff. VV gelten.
b) Vorzeitige Auftragsbeendigung
Wird der Auftrag vorzeitig beendet, entsteht lediglich eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3301 VV. Da die Anmerkung zu dieser Vorschrift auf die Anm. zu Nr. 3201 VV verweist, liegt eine vorzeitige Auftragsbeendigung vor, wenn sich der Auftrag erledigt bevor
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der Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage enthält, bei Gericht eingereicht hat, oder |
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der Rechtsanwalt einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. |
Zu den Sachanträgen gehören alle Anträge des Klägers, durch die er erklärt, welchen Inhalt die angestrebte Entscheidung haben soll, sowie die Gegenanträge des Beklagten. Hierzu gehören insbesondere die Klageanträge, Klageerweiterungen, Kostenanträge (z.B. nach §§ 91a, 269 Abs. 3 ZPO), Erledigungserklärungen, Anerkenntnis, Verzicht oder auch die prozessual erforderliche Zustimmung zur Klagerücknahme.
c) Mehrvertretung
Vertritt der Anwalt in dem Rechtsschutzverfahren mehrere Kläger, kann er eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Verfahrensgebühr geltend machen. Werden durch die Kläger jedoch jeweils eigenständige Entschädigungsansprüche geltend gemacht, liegen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nicht vor, weil es si...