RVG VV Nrn. 3100, 7002 ZPO §§ 91, 697 Abs. 3

Leitsatz

  1. Betreibt der Antragsteller eines Mahnverfahrens die Sache nach Widerspruch des Antragsgegners nicht weiter und beantragt daraufhin der Antragsgegner die Abgabe an das Gericht des streitigen Verfahrens und stellt dort einen Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO, so entsteht seinem Verfahrensbevollmächtigten eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG, die auch erstattungsfähig ist.
  2. Mahnverfahren und nachfolgendes streitiges Verfahren sind eine Angelegenheit, so dass nur eine einzige Postentgeltpauschale entsteht.

OLG Naumburg, Beschl. v. 29.12.2011 – 2 W 51/11 (KfB)

1 Sachverhalt

Die Klägerin hatte die Beklagte wegen einer Werklohnforderung in Höhe von 30.464,11 EUR im Wege des Mahnverfahrens in Anspruch genommen. Die Beklagte hat dagegen durch ihren Anwalt Widerspruch einlegen lassen. Nachdem die Klägerin nichts Weiteres veranlasste, stellte die Beklagte ihrerseits den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens und beantragte nach Abgabe des Verfahrens an das LG Termin zur mündlichen Verhandlung. Im Termin ist die Klägerin säumig geblieben. Das LG hat daraufhin gegen die Klägerin ein Versäumnisurteil erlassen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.

Mit ihrem Beschluss hat die Rechtspflegerin des LG die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten in Höhe von 1.452,00 EUR festgesetzt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde, die in der Sache Erfolg hatte.

2 Aus den Gründen

I. Die für die Durchführung des Mahnverfahrens geltend gemachten Kosten in Höhe von 435,00 EUR sind antragsgemäß festgesetzt worden; hierauf bezieht sich das Rechtsmittel nicht.

II. Als Kosten des streitigen Verfahrens sind insgesamt 1.136,20 EUR festzusetzen.

1. Entgegen der Auffassung des LG ist eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV zum Kostenwert des streitigen Verfahrens begründet worden, auf die jedoch die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens nach Anm. zu Nr. 3307 VV anzurechnen ist. Diese Gebühr beträgt 664,00 EUR (1.079,00 EUR – 415,00 EUR).

Die Beklagte hat nicht nur Widerspruch eingelegt und den Gerichtskostenvorschuss gezahlt. Sie hat auch ausdrücklich die Abgabe an das Streitgericht beantragt und damit deutlich gemacht, dass sie die Rechtshängigkeit des im Mahnverfahren geltend gemachten Anspruchs herbeiführen will. Die Klägerin hätte noch ausreichend Gelegenheit gehabt, ihren Antrag zurückzunehmen und so eine Entstehung weiterer Gerichts- und Anwaltskosten zu vermeiden; dies hat sie nicht getan. Mit dem Antrag auf Anberaumung eines Termins der mündlichen Verhandlung nach § 697 Abs. 3 ZPO hat die Beklagte eine Prozesshandlung im streitigen (rechtshängigen) Verfahren vorgenommen; diese Prozesshandlung begründet einen Anspruch auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.

2. Zu Unrecht hat das LG die Terminsgebühr nach einem geringeren Streitwert bemessen. Die Beklagte hat einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt. Damit sind die Voraussetzungen für die Begründung einer Terminsgebühr in der Sache erfüllt. Allerdings hat die Klägerin zu Recht darauf verwiesen, dass lediglich eine ermäßigte Gebühr nach Nr. 3105 VV in Höhe einer 0,5-fachen Gebühr angefallen ist, weil die Klägerin im Termin säumig geblieben ist. Hieraus ergibt sich ein Betrag von 415,00 EUR.

4. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, soweit für das streitige Verfahren nochmals ein Pauschalentgelt für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV begehrt wird. Das Mahnverfahren und das anschließende streitige Verfahren bilden dieselbe Angelegenheit i.S.d. Kostenrechts (vgl. nur Hartmann, KostG, 40. Aufl. 2010, § 15 RVG Rn 34 m. w. N.).

3 Anmerkung zu Leitsatz 1

Zugrunde lag ein Streitwert von bis zu 35.000,00 EUR. Ausgehend hiervon war wie folgt abzurechnen:

 
Praxis-Beispiel

I. Mahnverfahren

 
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV    830,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 850,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   161,50 EUR
Gesamt   1.011,50 EUR

II. Streitiges Verfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    1.079,00 EUR
2. gem. Anm. zu Nr. 3305 VV anzurechnen,    
  1,0 aus 35.000,00 EUR   -830,00 EUR
3. 0,5-Terminsgebühr, Nr. 3105 VV   415,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 684,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   129,96 EUR
Gesamt   813,96 EUR

Mit Einlegung des Widerspruchs ist das Verfahren für den Anwalt des Antragsgegners grundsätzlich beendet.

Stellt er den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nach § 696 Abs. 1 ZPO und/oder beantragt er, im gerichtlichen Verfahren die Klage abzuweisen oder stellt Terminsantrag nach § 697 Abs. 3 S. 1 ZPO, löst dies bereits gem. Vorbem. 3 Abs. 3 VV eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV aus.[1]

Der Wert des streitigen Verfahrens bemisst sich dann nach dem vollen Wert der im Mahnverfahren geltend gemachten Ansprüche, da bei fehlender Anspruchsbegründung über sämtliche Ansprüche entschieden wird.[2] Die Entscheidung, dass die Klage abgewiesen wird, ergeht in Rechtskraft hinsichtlich sä...

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