RVG VV Nr. 3506 ZPO § 91 Abs. 1
Leitsatz
- Die Prozessvollmacht, die dem Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren erteilt wird, ermächtigt diesen zur Führung "des ganzen Prozesses" in allen Instanzen, mithin auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.
- Der Antrag des Prozessbevollmächtigten auf Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ist eine Prozesshandlung i.S.d. § 81 ZPO. Hierzu gehören alle Handlungen, die nach ihrer Zweckbestimmung den Rechtsstreit betreiben, fördern oder beendigen oder der Durchsetzung einer ergangenen Entscheidung dienen sollen. Dazu gehören auch Anträge oder Erklärungen in Schriftsätzen.
- Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV entsteht auch dann in voller Höhe des 1,6-Fachen der Gebühr nach § 13 RVG, wenn der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz erst zu einem Zeitpunkt fertigte und beim BAG einreichte, als dieses bereits den Beschluss gefasst hatte, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückzuweisen, dieser Beschluss jedoch erst nach außen wirksam wurde, als er dem betreffenden Prozessbevollmächtigten zuging, und dies zu einem Zeitpunkt geschah, als sein Schriftsatz bereits beim BAG eingegangen war.
BAG, Beschl. v. 18.4.2012 – 3 AZB 22/11
1 Sachverhalt
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, wonach er der Beklagten wegen eines von ihm eingeleiteten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV zu erstatten hat.
Das ArbG hatte die Klage abgewiesen; das LAG hatte die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Gegen das Urteil des LAG legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 17.8.2010. Abschriften der Nichtzulassungsbeschwerdeschrift wurden den Rechtsanwälten des Beklagten am 27.7.2010, Abschriften der Beschwerdebegründungsschrift wurden ihnen am 27.8.2010 zugestellt. Mit Beschl. v. 25.8.2010 wies das BAG die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision kostenpflichtig zurück. Abschriften dieses Beschlusses gingen den Rechtsanwälten des Beklagten am 9.9.2010 zu. Bereits zuvor, nämlich am 6.9.2010, war beim BAG der Schriftsatz der Rechtsanwälte R vom 3.9.2010 eingegangen, in welchem sich diese für die Beklagte gemeldet und beantragt hatten, die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückzuweisen.
Auf Antrag der Beklagten und nach Anhörung des Klägers hat das ArbG die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 989,60 EUR (nebst Zinsen) festgesetzt. Dieser Betrag beinhaltet eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3506 VV sowie die Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV in Höhe von 20,00 EUR. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Erinnerung eingelegt. Das ArbG hat die Erinnerung als sofortige Beschwerde ausgelegt, ihr nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt. Das LAG hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Kläger weiterhin geltend, zur Erstattung der Verfahrensgebühr nicht verpflichtet zu sein.
Die Rechtsbeschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das LAG hat die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des ArbG zu Recht zurückgewiesen. Das ArbG hat die nach dem Beschluss des BAG vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten nach § 104 ZPO zu Recht auf insgesamt 989,60 EUR festgesetzt. Neben der Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV in Höhe von 20,00 EUR, über deren Berechtigung und Erstattungsfähigkeit die Parteien nicht streiten, war bei der Kostenfestsetzung die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV in unstreitiger Höhe von 969,60 EUR zu berücksichtigen. Die Rechtsanwälte R können für ihr Tätigwerden im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV beanspruchen. Die Verfahrensgebühr ist auch erstattungsfähig i.S.d. § 91 ZPO.
1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV ist in voller Höhe entstanden. Der Gebührenanspruch der Rechtsanwälte R im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bestimmt sich nach Nr. 3506 VV. Danach beläuft sich die Verfahrensgebühr auf das 1,6-Fache der Gebühr nach § 13 RVG. Bei einem Gegenstandswert von 17.408,52 EUR sind dies 969,60 EUR.
a) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers scheitert die Entstehung der Gebühr nicht an einer fehlenden Prozessvollmacht der Rechtsanwälte R für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Die Prozessvollmacht, die die Beklagte ihren Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren erteilt hatte, ermächtigte diese zur Führung "des ganzen Prozesses" in allen Instanzen, mithin auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.
Dem steht nicht entgegen, dass gem. § 16 Nr. 11, § 17 Nr. 9 RVG das Verfahren über ein Rechtsmittel und das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels verschiedene Angelegenheiten sind. Diese Bestimmungen des RVG haben nur Bedeutung für die Frage, ob im Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung des Rechtsmittels gesonder...