BGB § ZPO § GKG § 66
Leitsatz
- Ist die Prozesserklärung einer Partei auslegungsbedürftig und auslegungsfähig, wobei das in Betracht kommende Rechtsmittel verfristet und zudem kostenpflichtig wäre, während das erstrebte Ziel durch einen zulässigen und zudem kostenfreien Rechtsbehelf erreicht werden kann, verbietet sich die Annahme, der Antragsteller beabsichtige eine unzulässige sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung statt der zulässigen und kostenfreien Erinnerung gegen den gerichtlichen Kostenansatz.
- Hat der Erbe der PKH-Partei, bei dem die persönlichen Voraussetzungen für eine PKH-Bewilligung nicht vorliegen, den Rechtsstreit nicht aufgenommen, haftet er auch nicht für die vor dem Erbfall entstandenen Gerichtskosten (Abgrenzung zu OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 776).
OLG Koblenz, Beschl. v. 16.11.2012 – 14 W 625/12
1 Sachverhalt
Der Antragsteller ist Erbe der 1965 geborenen und im Oktober 2010 verstorbenen A., der Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsbestimmung bewilligt war. Nach einem Sturz im Oktober 1999 wurde A. ärztlich fehlerhaft behandelt. Der deswegen geführte Rechtsstreit endete mit einem Vergleich der Hauptsache, die damit erledigt war. Über die Kosten entschied das LG durch Beschl. v. 24.11.2011 nach § 91a ZPO und legte der anwaltlich vertretenen A. (§ 246 Abs. 1 S. 1, 1. u. 2. Hs. ZPO) einen Teil der Kosten auf.
Das führte zu einer an den Antragsteller als Erben adressierten Gerichtskostenrechnung. Er hat sich hiernach mit gleichlautenden Schreiben unter anderem an das LG und die Landesjustizkasse gewandt. Im letzten Schreiben v. 26.10.2012 hat der Antragsteller unter anderem gemeint, die beklagten Ärzte müssten die gesamten Kosten tragen, er selbst schulde keine Gerichtskosten.
Das LG hat darin eine sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung v. 24.11.2011 gesehen, dem vermeintlichen Rechtsmittel durch Beschl. v. 8.11.2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. In der Nichtabhilfeentscheidung heißt es, die sofortige Beschwerde sei wegen des beim LG bestehenden Anwaltszwangs, aber auch deshalb unzulässig, weil sie außerhalb der Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt sei.
Das OLG hat die Nichtabhilfeentscheidung des LG aufgehoben und die Sache an das LG zurückgegeben.
2 Aus den Gründen
Der Senat interpretiert das Sachbegehren des Antragstellers anders als das LG. Richtig ist allerdings, dass der Antragsteller sich auf den ersten Blick dagegen verwahrt, dass der Verstorbenen Kosten auferlegt worden sind. Das LG hat dabei aber nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller gegen Ende seines Schreibens Folgendes mitgeteilt hat:
"Wir schließen uns der Meinung des unsere Tochter vertretenden Anwalts an, dass die Gerichtskostenforderung nicht rechtens ist, und bitten, diese traurige Angelegenheit durch eine humane Entscheidung zu beenden und uns die Gerichtskosten insgesamt zu erlassen".
Das verdeutlicht hinreichend (§ 133 BGB), dass der Antragsteller nicht die Kostengrundentscheidung, sondern den gerichtlichen Kostenansatz beanstandet. Ist die Prozesserklärung einer Partei auslegungsbedürftig und auslegungsfähig und kann das Erstrebte durch das scheinbar in Betracht kommende, jedoch greifbar unzulässige Rechtsmittel, das zudem kostenpflichtig ist (Nr. 1810 GKG-KostVerz.), nicht erreicht werden, während das Begehren auf einem anderen, noch dazu kostenfreien Weg (§ 66 Abs. 8 GKG) Erfolg haben kann, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Partei nur von dem zulässigen Rechtsbehelf Gebrauch machen will. Das ist hier die Erinnerung gegen den gerichtlichen Kostenansatz (§ 66 Abs. 1 GKG).
Der Senat ist gehindert, darüber in der Sache zu entscheiden, weil es an der unerlässlichen Anhörung des Bezirksrevisors bei dem LG fehlt (Art. 103 Abs. 1 GG). Entbehrlich wäre die Anhörung allenfalls, wenn der Senat den Kostenansatz bestätigen und die Erinnerung zurückweisen würde. Das ist deshalb nicht möglich, weil ein Erbe grundsätzlich kostenmäßig nicht in größerem Umfang als der Erblasser vor dem Tod haftet (§ 1967 BGB). Ob etwas anderes gilt, wenn der Erbe den Rechtsstreit aufgenommen und fortgeführt hat, steht nicht zur Entscheidung an.
Die Anhörung des Bezirksrevisors ist auch nicht dadurch erfolgt, dass der Rechtspfleger in einem Schreiben vom 27.9.2012 mitgeteilt hat, die Bezirksrevisoren in Rheinland-Pfalz seien der Ansicht, dass eine PKH-Bewilligung mit dem Tod der PKH-Partei erlischt mit der Folge, dass die Erben für die (anteiligen) Gerichtskosten haften. Der Bezirksrevisor muss Gelegenheit erhalten, sich selbst unmittelbar zu äußern.
Soweit der Rechtspfleger für seine Rechtsansicht auf die in NJW-RR 1996, 776 abgedruckte Entscheidung des OLG Frankfurt verwiesen hat, ist anzumerken, dass es auch gegenläufige Entscheidungen gibt, die von beachtlichen Argumenten getragen werden (OLG Düsseldorf Rpfleger 1999, 334 = MDR 1999, 830 = NJW-RR 1999, 1086 = OLGR 1999, 345 = AGS 1999, 158 u. OLG Köln OLGR 1999, 168). Hinzu kommt, dass im Fall des OLG Frankfurt der Erbe anscheinend den Rechtsstreit aufgenom...