Einführung
Mit dem Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) soll durch Art. 8 Abs. 2 Nr. 7 eine Zusatzgebühr bzw. eine Gebührenerhöhung für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen eingeführt werden. Die neue Vorschrift wird in Teil 1 VV eingefügt und soll folgenden Wortlaut haben:
1010 |
Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden. Die Gebühr entsteht für den durch besonders umfangreiche Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand. |
0,3 oder bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr um 30 % |
A. Sinn und Zweck der Regelung
Mit der neu eingeführten Vorschrift der Nr. 1010 VV soll der Wegfall der nach der BRAGO noch vorgesehenen Beweisgebühr in bestimmten Ausnahmefällen kompensiert werden, namentlich in unfangreichen Bausachen. Der Gebührentatbestand soll den mit besonders umfangreichen Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand durch eine zusätzliche Gebühr bzw. durch eine Anhebung der Terminsgebühr ausgleichen.
Nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung soll die Zusatzgebühr "den besonderen Aufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen ausgleichen. Durch diese Gebühr sollen aber keine Fehlanreize gesetzt werden, die dazu animieren könnten, zusätzliche Beweisaufnahmetermine zu provozieren. Die Hürde bis zu einem dritten Beweistermin erscheint hierfür ausreichend."
B. Anwendungsbereich
Systematisch hätte die Vorschrift der Nr. 1010 VV an sich in Teil 3 VV angesiedelt werden müssen, da sie für alle Verfahren nach diesem Teil – aber auch nur für diesen Teil – gilt. Der Gesetzgeber hat sich allerdings dazu entschlossen, sie als "Allgemeine Gebühr" in VV Teil 1 zu regeln. Letztlich ist dies unerheblich. Anwendung findet Nr. 1010 VV jedenfalls nur in Verfahren nach Teil 3 VV. Um welche Art Verfahren es sich dabei handelt, ist unerheblich. Sie gilt sowohl für Verfahren, in denen nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird (§ 2 Abs. 1 RVG), als auch in Verfahren, in denen nach Betragsrahmen abzurechnen ist (§ 3 Abs. 1 RVG).
Nr. 1010 VV ist auch nicht auf Erkenntnisverfahren beschränkt, sondern kann auch in anderen Verfahren greifen, z.B. in einem selbstständigen Beweisverfahren. Sie gilt auch für einen Terminsvertreter oder einen Beweisanwalt (Nr. 3401 VV), wenn diese an den genannten Beweisterminen teilnehmen. Für den Verkehrsanwalt (Nr. 3400 VV) ist Nr. 1010 VV dagegen nicht anwendbar, da er nicht an der Beweisaufnahme teilnimmt.
C. Voraussetzungen
I. Überblick
Voraussetzungen der Zusatzgebühr bzw. der Gebührenerhöhung sind
• |
besonders umfangreiche Beweisaufnahmen einerseits und |
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mindestens drei gerichtliche Termine, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden, andererseits. |
Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.
II. Besonderer Umfang
Zunächst einmal ist Voraussetzung, dass eine "besonders umfangreiche Beweisaufnahme" stattgefunden hat. Eine bloß umfangreiche Beweisaufnahme genügt nicht. Sie muss besonders umfangreich gewesen sein.
Die entsprechenden Kriterien wird die Rspr. sicherlich noch herausarbeiten. Insoweit kann man sich gegebenenfalls an die §§ 42 und 51 RVG anlehnen, die ebenfalls einen "besonderen Umfang" voraussetzen.
Klargestellt ist jedenfalls durch das Tatbestandsmerkmal der "besonders umfangreichen Beweisaufnahme", dass drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen für sich allein nicht ausreichen, um einen besonderen Umfang anzunehmen.
Beispiel
In einem Verfahren kommt es zu drei Beweisterminen, in denen jeweils ein Zeuge für jeweils zehn Minuten vernommen wird.
Von einem besonderen Umfang der Beweisaufnahme kann nicht ausgegangen werden. Eine Zusatzgebühr entsteht nicht.
Andererseits fordert der Wortlaut nicht, dass sich der besondere Umfang gerade aus der Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen ergeben muss. Es genügt, dass die Beweisaufnahme insgesamt besonders umfangreich war.
Beispiel
Wie vorangegangenes Beispiel. Vor der Vernehmung der Zeugen war es zu zahlreichen und umfangreichen Sachverständigenterminen und mehreren Gutachten gekommen.
Jetzt kann ein besonderer Umfang vorliegen, sodass durch die drei Zeugenvernehmungstermine die Zusatzgebühr ausgelöst wird.
III. Mindestens drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen
1. Überblick
Zum besonderen Umfang hinzukommen muss, dass mindestens drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen stattgefunden haben.
Die Termine müssen in derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG stattgefunden haben, also im selben Rechtszug (s. § 17 Nr. 1 RVG).
Zu beachten ist, dass das selbstständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren oder ein Verfahren vor und nach Zurückverweisung jeweils gesonderte Angelegenheiten darstellen, sodass jeweils gesondert gezählt werden muss. Die Anrechnung der Verfahrensgebühr in diesen Fällen (Vorbem. 3 Abs. 5 VV) ist unerheblich, zumal die Terminsgebühren jeweils gesondert anfallen.
2. Zeugenvernehmungstermine
Termine zur Vernehmung eines Zeugen müssen solche nach den §§ 394 ff. ZPO oder nach vergleichbaren Vorsch...