RVG §§ 25 Abs. 1 Nr. 1, 23 Abs. 2 S. 1 ZPO § 720a
Leitsatz
Der Gegenstandswert für einen Antrag auf Sicherungsvollstreckung (§ 720a ZPO) ist nicht gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung zu bemessen, weil die Sicherungsvollstreckung nur der vorläufigen Sicherung des Gläubigers vor einem Vermögensverfall des Schuldners und nicht der Befriedigung des Gläubigers dient.
OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.4.2012 – 3 O 362/09
1 Aus den Gründen
Auf den nach § 33 Abs. 1 RVG statthaften Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes, über den nach § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Vorsitzende als Berichterstatter anstelle des Senats entscheidet, setzt das Gericht den Wert nach § 23 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 RVG unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers fest. Es entspricht nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des in § 52 Abs. 2 GKG zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedankens, wonach im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren bei nicht zureichenden Anhaltspunkten für die Bezifferung des wirtschaftlichen Wertes von 5.000,00 EUR auszugehen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.4.2007 – 6 PB 18/06), billigem Ermessen, den Wert der im Tenor genannte Summe festzusetzen.
Entgegen der Auffassung der Gläubigerin ist der Wert nicht nach Maßgabe des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG festzusetzen, wonach in der Zwangsvollstreckung für die Bemessung des Gegenstandswertes der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung maßgebend sein soll. Denn diese Regelung ist nur anwendbar, wenn die Vollstreckung der Befriedigung des Gläubigers zu dienen bestimmt ist. Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit § 25 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 RVG, wonach wegen eines Antrages auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zwar vom geschuldeten Betrag, höchstens indes von 1.500,00 EUR auszugehen ist. Im vorliegenden Falle ist die beantragte Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO nicht auf die Befriedigung der Gläubigerin gerichtet. Sie dient nur der vorläufigen Sicherung des Gläubigers vor einem Vermögensverfall des Schuldners.
2 Anmerkung
Die Entscheidung des OVG ist m.E. unzutreffend.
Bei einer sog. "Sicherungsvollstreckung" nach § 720a ZPO handelt es sich um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Dies dürfte unstreitig sein, zumal die Sicherungsvollstreckung im achten Buch der ZPO, der Zwangsvollstreckung, geregelt ist.
Dass die Sicherungsvollstreckung nicht unmittelbar der Verwertung dient, ist unerheblich. Die Sicherungsvollstreckung ist zumindest unmittelbare Vorstufe der späteren Vollstreckung. Sie sichert dem Gläubiger die Möglichkeit, später das betreffende Objekt verwerten zu können.
Nach der Rspr. bilden die Sicherungsvollstreckung und die nachfolgende Verwertung eine Angelegenheit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG. Auch das spricht für eine einheitliche Bewertung. Es verhält sich hier nicht anders als bei einem vorläufigen Zahlungsverbot nach § 845 ZPO und dem nachfolgenden Verfahren auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Auch wird der volle Wert angenommen. Es ist bisher noch niemand auf die Idee gekommen, den Gegenstandswert eines vorläufigen Zahlungsverbotes (§ 845 ZPO) geringer zu bewerten, weil damit nur die Forderung beschlagnahmt wird, aber noch keine Verwertung möglich ist.
Entgegen der Auffassung des OVG spricht auch insbesondere die Regelung des § 25 Abs. 1 Nr. 4 für den Ansatz des vollen Wertes. Bei einem Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (seit dem 1.1.2013: Erteilung der Vermögensauskunft) handelt es sich ebenfalls um ein vollstreckungsrechtliches Verfahren, das nicht unmittelbar der Verwertung dient, sondern der Vorbereitung. Dieses Verfahren hat eine noch geringere Bedeutung als eine Sicherungsvollstreckung, weil es nicht zur Beschlagnahme eines Pfändungsobjekts führt. Dennoch wird hier der volle Wert angesetzt. Es ist lediglich ein Höchstwert vorgesehen. Bis zu einem Wert von 1.500,00 EUR (ab dem 1.7.2013 von 2.000,00 EUR) ist die zu vollstreckende Forderung voll zu bewerten.
Auch wirtschaftlich betrachtet liegt kein Minderwert vor. Wenn eine Sicherungsvollstreckung ausgebracht ist, dann steht damit fest, dass dem Gläubiger das Vollstreckungsobjekt zur Verwertung zur Verfügung stehen wird. Ob er es sofort verwertet oder später, dürfte wirtschaftlich nicht entscheidend sein.
Norbert Schneider