Zu Recht haben die Vorinstanzen für die Vertretung der Beklagten in dem Berufungsverfahren die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV als erstattungsfähig angesehen.

1. Durch die Einreichung des Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung der Berufung beantragt wurde, ist nach. Nr. 3200 VV i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 2 RVG eine 1,6-fache Verfahrensgebühr entstanden.

Nach Nr. 3201 Nr. 1 VV ermäßigt sich die Verfahrensgebühr zwar bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags, wozu auch die Beendigung durch Rücknahme der Berufung gehört, auf eine 1,1-fache Gebühr. Hat der Rechtsanwalt aber – wie hier – bereits einen Schriftsatz eingereicht, der die Sachanträge oder einen Sachvortrag enthält, kommt eine vorzeitige Beendigung des Auftrags und damit eine Ermäßigung der Gebühr nicht mehr in Betracht (BGH, Beschl. v. 1.4.2009 – XII ZB 12/07, NJW 2009, 2220; Beschl. v. 2.10.2008 – I ZB 111/07, NJW-RR 2009, 859).

2. Hiervon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob die Beklagte diese Kosten von der Klägerin als der unterliegenden Rechtsmittelführerin erstattet verlangen kann. Dies setzt nach § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO voraus, dass der Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Die Erstattung der aufgewendeten Kosten kann eine Partei dabei nur insoweit erwarten, als sie der ihr aus dem Prozessrechtsverhältnis obliegenden Pflicht nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (BGH, Beschl. v. 1.4.2009 – XII ZB 12/07, NJW 2009, 2220; Beschl. v. 3.7.2007 – VI ZB 21/06, NJW 2007, 3723).

a) Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei darf bereits vor dessen Begründung einen Rechtsanwalt beauftragen und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens nach § 91 Abs. 1 ZPO vom Gegner erstattet verlangen. Allerdings ist ein die 1,6-fache Verfahrensgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels grundsätzlich nicht notwendig, sofern der Rechtsmittelführer noch keinen Antrag und keine Rechtsmittelbegründung eingereicht hat. Denn im Normalfall besteht kein Anlass für den Rechtsmittelgegner, mit der Verteidigungsanzeige seines Prozessbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels anzukündigen. Der Rechtsmittelgegner kann sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf die Entscheidung der Vorinstanz sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern. Es ist nicht ersichtlich, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels ausgehen könnte, solange mangels einer Rechtsmittelbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist (BGH, Beschl. v. 1.4. 2009 – XII ZB 12/07, NJW 2009, 2220; Senat, Beschl. v. 2.7.2009 – V ZB 54/09, NJW 2009, 3102; jeweils m.w.Nachw.).

b) Hier ist jedoch – wie das Beschwerdegericht zu Recht annimmt – eine andere Beurteilung deshalb geboten, weil die Klägerin ihre Berufung noch begründet hat.

aa) Die Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendig waren, bestimmt sich zwar grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei eine die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Nach Einreichung der Rechtsmittelbegründung kann dem Rechtsmittelgegner aber ein berechtigtes Interesse nicht abgesprochen werden, mit anwaltlicher Hilfe eine Zurückweisung des Rechtsmittels anzustreben und einen entsprechenden Antrag anzukündigen. In diesem Zeitpunkt, auf den der verfrühte Zurückweisungsantrag fortwirkt, war eine Verteidigung somit notwendig und wäre mit Kosten in der geltend gemachten Höhe verbunden gewesen. Diese wären bei einer Antragstellung nach Eingang der Rechtsmittelbegründung zweifellos auch erstattungsfähig gewesen (BGH, Beschl. v. 9.10.2003 – VII ZB 17/03, NJW 2004, 73; Beschl. v. 2.10.2008 – I ZB 111/07, NJW-RR 2009, 859). Unter solchen Umständen kommt es für die Frage der Erstattungsfähigkeit nicht auf die zeitliche Reihenfolge der jeweiligen Anträge an. Vielmehr ist bei wertender Betrachtung davon auszugehen, dass die dem Rechtsmittelgegner tatsächlich entstandenen Anwaltskosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich geworden sind. Es würde auf eine unnötige Förmelei hinauslaufen, von dem Rechtsmittelgegner zu erwarten, dass er nach Eingang der Rechtsmittelbegründung nochmals einen Schriftsatz mit einem Gegenantrag bei Gericht einreicht, um die Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr herbeizuführen (BGH, Beschl. v. 1.3.2009 – XII ZB 12/07, NJW 2009, 2220; Beschl. v. 13.7.2010 – VI ZB 61/09, Rpfleger 2011, 47).

bb) Der Umstand, dass das Berufungsgericht aufgrund der Berufungsrücknahme durch die Klägerin nicht in der Sache entschieden hat, ändert an der Erstattungsfähigkeit der 1,6-fachen Verfahrensgebühr nichts.

Die Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr kann nicht...

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