ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, Hs. 1 RVG §§ 13, 17 Nr. 9 RVG VV Nr. 3403
Leitsatz
Der dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erteilte Auftrag, die Erfolgsaussichten einer gegnerischen Nichtzulassungsbeschwerde vor deren Begründung lediglich anhand des bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens angefallenen Prozessstoffs zu prüfen, kann sinnvoll nicht erfüllt werden, weil Grundlage der Entscheidung über die Zulassung der Revision sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht das Beschwerdevorbringen ist. Die durch einen solchen Auftrag verursachten Kosten für die in der "Prüfung" liegende Einzeltätigkeit sind wegen Verstoßes gegen das Kostenschonungsgebot nicht zu erstatten.
BGH, Beschl. v. 15.10.2013 – XI ZB 2/13
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte die Beklagte in erster und zweiter Instanz im Wesentlichen erfolgreich auf Schadenersatz in Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem Filmfonds in Anspruch genommen. Nach Zustellung des Berufungsurteils legte der drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 2.12.2011 Nichtzulassungsbeschwerde ein und beantragte Fristverlängerung zu deren Begründung. Mit Schreiben vom gleichen Tag wies er den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers auf diese Umstände hin, bat darum, noch keinen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen, und äußerte, er werde den Prozessbevollmächtigten des Klägers vorab unterrichten, sofern das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren durchgeführt werde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers gab die Erklärungen mit Schreiben vom 5.12.2011 an seinen Mandanten weiter und fuhr fort:
"Wir sind doch etwas verwundert, dass in Ihrem Fall eine Nichtzulassungsbeschwerde durchgeführt wird. Es existieren sowohl diverse Rücknahmen […] [der Beklagten] als auch ein Beschluss des BGH, in dem dieser eine zugelassene Revision zurückgewiesen hat. Damit dürften die Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde der […] [Beklagten] gegen Null gehen."
Wir bedauern insoweit, dass sich […] [die Beklagte] so uneinsichtig zeigt.
Fraglich ist nunmehr, ob wir in Ihrer Sache schon einen BGH-Anwalt einschalten sollten. Grundsätzlich ist dies aus meiner Sicht derzeit nicht nötig. Inhaltlich wird ein solcher Anwalt erst benötigt, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde angenommen würde. Bis dahin können wir das Verfahren ohne Weiteres betreuen. Aber auch nach Übernahme des Verfahrens durch einen BGH-Anwalt würden wir, sollte es von Ihnen gewünscht sein, das Verfahren weiter mit betreuen und dem BGH-Anwalt entsprechend zuarbeiten. Wir gehen aber davon aus, dass der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde genauso wie in anderen Fällen einfach zurückweist oder […] [die Beklagte] diese doch noch zurücknimmt. In beiden Fällen ist die Einschaltung eines BGH-Anwalts unnötig und würde nur Kosten produzieren.
Sollten wir eine Einschaltung eines BGH-Anwalts zukünftig doch als nötig erachten, würden wir uns kurzfristig melden.
Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie mit diesem Vorgehen einverstanden sind.“
Am 5.3.2012 nahm der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für diese die Nichtzulassungsbeschwerde zurück, ohne sie begründet zu haben.
Dem Antrag des Klägers, eine 0,8-Verfahrensgebühr nach §§ 13, 17 Nr. 9 RVG i.V.m. Nr. 3403 VV nebst einer Pauschale gem. Nr. 7002 VV und der Umsatzsteuer auf die Vergütung gem. Nr. 7008 VV gegen die Beklagte festzusetzen, hat das LG unter Verweis auf das Schreiben vom 5.12.2011 entsprochen.
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG dahin geändert, dass der Kostenfestsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen werde. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, sämtliche vom Prozessbevollmächtigten des Klägers entfalteten Tätigkeiten gehörten noch zum Berufungsrechtszug. Das gelte auch, soweit der Kläger behaupte, auf einen entsprechenden Auftrag hin im Dezember 2011 die Erfolgsaussichten der gegnerischen Nichtzulassungsbeschwerde und die Beauftragung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts mit seinem Prozessbevollmächtigten erörtert zu haben, da auch insoweit mangels Kenntnis der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung lediglich eine geringfügige Annextätigkeit in Rede stehe.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand. Eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV ist dem Kläger nicht zu erstatten, weil die von seinem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten entfalteten Tätigkeiten entweder noch zum Berufungsrechtszug gehörten oder ihre Beauftragung jedenfalls gegen die Obliegenheit verstieß, die Kosten der Rechtsverteidigung möglichst niedrig zu halten.
a) In der höchstrichterlichen Rspr. ist anerkannt, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte für die bloße Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Übermittlung der Bitte, mit der Bestellung eines drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten noch zu warten, die Prüfung des...