Leitsatz
Der Ersatz von Anwaltskosten aufgrund eines materiell-rechtlichen Anspruchs ist grundsätzlich auf die Höhe der gesetzlichen Vergütung beschränkt.
BGH, Urt. v. 23.1.2014 – III ZR 37/13
1 Sachverhalt
Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche auf Entschädigung für materielle und immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Bauprozesses geltend, darunter auch außergerichtliche Anwaltskosten, die sie in Höhe einer nach Stunden abzurechnenden vereinbarten Vergütung ersetzt verlangen.
Das OLG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen erhobene Revision hatte keinen Erfolg.
Ungeachtet dessen, dass es für die Entscheidung nicht darauf ankam, hat der BGH in den Gründen seiner Entscheidung auch zur Höhe des Anspruchs auf Ersatz der Anwaltskosten Ausführungen gemacht.
2 Aus den Gründen
d) Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Auffassung des OLG, die behaupteten materiellen Nachteile seien gem. § 198 Abs. 1 S. 1 GVG nicht erstattungsfähig.
aa) Soweit die Kläger anwaltliche Mehrkosten aufgrund einer Honorarvereinbarung auf Stundenbasis geltend machen, ist bereits der Kausalzusammenhang mit der Verfahrensführung des Ausgangsgerichts nicht erkennbar. Der nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG zu ersetzende materielle Nachteil muss gerade durch die Verfahrensdauer im Verantwortungsbereich des in Anspruch genommenen Rechtsträgers verursacht sein (BT-Drucks 17/3802 S. 19). Daran fehlt es hier. Denn die geltend gemachten, angeblich durch die Erwiderung auf Einwendungen der Prozessgegner entstandenen anwaltlichen Mehrkosten beruhen zum einen auf der Prozessführung der Gegner, soweit diese neue Einwendungen vorgebracht haben, und zum anderen auf dem Verhalten der Prozessbevollmächtigten der Kläger, soweit auf bloß wiederholenden Vortrag der gegnerischen Prozessbevollmächtigen überflüssigerweise erwidert wurde.
bb) Die fehlende Erstattungsfähigkeit der behaupteten anwaltlichen Mehrkosten ergibt sich aber auch aus dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks des § 198 Abs. 1 S. 1 GVG.
Im Rahmen der §§ 249 ff. BGB zählen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zwar grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten. Nach der ständigen Rspr. des BGH hat der Schädiger dem Geschädigten allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn 5 u. v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn 70, jeweils m.w.Nachw.). Danach ist ein anwaltliches Zeithonorar nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 249 Rn 57).
Für den Entschädigungsanspruch nach § 7 StrEG hat der Senat mit Urt. v. 11.11.1976 (III ZR 17/76, BGHZ 68, 86) entschieden, dass dem von einer entschädigungspflichtigen Strafverfolgungsmaßnahme Betroffenen für seine Anwaltskosten nur eine Entschädigung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen zusteht. Eine höhere vereinbarte Anwaltsvergütung ist danach nicht zu entschädigen. Während die Entschädigungspflicht nur für die gesetzlichen Gebühren und Auslagen einem Grundsatz entspricht, der in mehreren Verfahrensordnungen zum Ausdruck gekommen ist (vgl. § 91 Abs. 2 ZPO, § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, § 193 Abs. 3 SGG, § 139 Abs. 3 FGO), fällt der Abschluss einer Honorarvereinbarung und deren Höhe allein in den Verantwortungs- und Risikobereich dessen, der anwaltlichen Rat und anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt (BGH a.a.O. S. 88). Der Schutzbereich der zur Entschädigung verpflichtenden Norm reicht nicht so weit, dass er auch die Entschädigung für höhere als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts einschließen würde (BGH a.a.O. S. 88 f).
Diese Erwägungen gelten auch für den Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG. Dieser Anspruch ist ebenfalls auf die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung beschränkt, so dass dem Betroffenen für seine Anwaltskosten keine über die gesetzlichen Gebühren und Auslagen hinausgehende Entschädigung zusteht.
Nach alledem stellen die von den Klägern geltend gemachten anwaltlichen Mehrkosten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen erstattungsfähigen materiellen Nachteil dar.
3 Anmerkung
Eine vereinbarte Vergütung betrifft grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber. Auf das Erstattungsverhältnis hat eine vereinbarte Vergütung grundsätzlich keinen Einfluss. Lediglich dann, wenn die vereinbarte Vergütung unter der gesetzlichen liegt, kann selbstverständlich auch nur dieser geringere Betrag erstattet verlangt werden.
Im Rahmen des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist grundsätzlich auch nur die gesetzliche Vergütung zu erstatten. Nur in Ausnahmefällen nimmt die Rspr u.U. auch einen Ersatzanspruch auf eine die gesetzlichen Gebühren übersteigende vereinbarte Vergütung an.
Norbert Schneider
AGS 2/2015, S. 97 - ...