Ein Rechtsanwalt verdient die Terminsgebühr nach Nr. 4121 VV für die Teilnahme an der Hauptverhandlung (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 1 VV). Er erhält die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV). Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder der Verlegung des Termins Kenntnis erlangt hat (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 3 VV).
Der klare und eindeutige Wortlaut der genannten Vorschriften macht damit das Entstehen der Terminsgebühr von der Teilnahme an bzw. dem Erscheinen zu einem anberaumten Termin abhängig. Zu einem Termin erscheint ein Rechtsanwalt, wenn er im Gerichtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an dem Gerichtstermin körperlich anwesend ist (Senat, Beschl. v. 14.3.2014, 6 St (k) 5/14; Beschl. v. 19.7.2013, 6 St (k) 15/13; OLG München NStZ-RR 2008, 159).
Soweit "entgegen dem Wortlaut" der Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV die Auffassung vertreten wird, für den Anfall der Gebühr genüge bereits die Anreise zum Termin (Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. [2013], Vorbem. 4 VV Rn 40), kann sich der Senat dieser Rechtsmeinung nicht anschließen. Ist der Wortlaut einer Vorschrift eindeutig und führt er zu einer sinnvollen Anwendung der Vorschrift, so kann ihr durch Auslegung nicht ein erweiternder Anwendungsbereich beigelegt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl. [2014], Einl. Rn 193 f., 196). Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV ist eine Ausnahmeregelung (OLG München NStZ-RR 2008, 159), die eng auszulegen ist. Wollte man bereits die Anreise zu einem Gerichtstermin für ein Erscheinen im Sinne der Vorschrift ausreichen lassen, führte dies zu erheblichen Abgrenzungsproblemen (dazu OLG München NStZ-RR 2008, 159, 160). Derartige Abgrenzungsprobleme werden durch die hier vertretene enge Auslegung der Vorbem. 4 Abs. 3 VV sachgerecht vermieden.
An dieser bereits in seinem Beschl. v. 14.3.2014, 6 St (k) 5/14, vertretenen Rechtsansicht hält der Senat fest. Sie findet ihre Bestätigung in den Gesetzesmaterialien. Dort ist zu Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV ausgeführt, es sei kein Grund ersichtlich, warum ein Verteidiger, der zur Hauptverhandlung erscheine, hierfür keine Gebühr erhalten solle. Er erbringe unter Umständen einen nicht unerheblichen Zeitaufwand schon zur Vorbereitung des Termins (BT-Drucks 15/1971, S. 221). Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber den nutzlosen Zeitaufwand nur in den Fällen vergütet wissen will, in denen der Rechtsanwalt auch zu einem Hauptverhandlungstermin erscheint.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist für den 27.5.2014 eine Terminsgebühr nach Nr. 4121 i.V.m. Vorbem. 4 Abs. 3 VV nicht angefallen.
Der Antragsteller ist am 27.5.2014 nicht zu einem anberaumten Termin mit dem Ziel der Teilnahme im Gericht erschienen. Selbst wenn er im Gericht erschienen wäre, wäre die Terminsgebühr nicht angefallen, da ihm zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass der Termin rechtzeitig abgesetzt worden war (vgl. Hartmann, KostG, 43 Aufl. [2013], RVG, VV 4108, 4109 Rn 5). Der Hauptverhandlungstermin vom 27.5.2014 wurde durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 26.5.2014 abgesetzt; die Prozessbeteiligten wurden am 26.5.2014 zwischen 13:21 Uhr und 15:42 Uhr per Telefax abgeladen. Rechtsanwalt H. steht auf dem Sendeprotokoll an zweiter Stelle; der Sendevermerk trägt den Kommentar "ok". Es obliegt dem Antragsteller sicherzustellen, dass er von eingehenden Telefaxschreiben zeitnah Kenntnis nehmen kann.
Allein die Anreise zu den Terminen vom 26., 27. und 28.5.2014 kann eine Terminsgebühr nicht begründen, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob der Antragsteller mit der Anreise zum 26.5.2014 zugleich für die Folgetermine am 27. und 28.5.2014 angereist ist. Entscheidend für den Anfall einer Terminsgebühr ist – unabhängig von der Entfernung zwischen Kanzleisitz und Gerichtsort – die Teilnahme am oder das Erscheinen zu einem Hauptverhandlungstermin. Eine erweiternde Auslegung der Vorbem. 4 Abs. 3 VV gegen ihren eindeutigen Wortlaut ist nicht möglich.
Auch wenn der Antragsteller – abgesehen von einem Haftbesuch bei seiner Mandantin – den 27.5.2014 anderweitig anwaltlich nicht nutzen konnte, kann dieser Umstand im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Vorbem. 4 Abs. 3 VV einen Anspruch auf eine Terminsgebühr für den 27.5.2014 nicht begründen.
Soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass er zur Vermeidung deutlich höherer Reisekosten am 27.5.2014 in München geblieben und nicht nach Köln zurückgereist ist, vermag dieser Gesichtspunkt eine Terminsgebühr für den 27.5.2014 nicht zu begründen. Der Vergütungsanspruch nach dem RVG muss sich an den tatsächlichen Gegebenheiten orientieren, hypothetische Geschehensabläufe dürfen für die Frage des Vergütungsanspruchs keine Rolle spielen (OLG München NStZ-RR 2008, 159).
AGS 2/2015, S. 70 - 72