Leitsatz
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers erstreckt sich nicht auch auf eine Vertretung im Adhäsionsverfahren (Aufgabe der bisherigen Rspr. des Senats im Beschl. v. 29.6.2005 – 2 Ws 254/05 [= AGS 2005, 436]).
OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2014 – 2 Ws 78/14
1 Sachverhalt
Rechtsanwältin Sch. war dem früheren Angeklagten durch Beschluss des AG als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden. Im Verfahren hat der Verletzte beantragt, den Angeklagten im Adhäsionsverfahren zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,00 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Nachdem Rechtsanwältin Sch. und das AG darauf hingewiesen hatten, dass der Adhäsionsantrag unzulässig sei, da der Angeklagte Jugendlicher sei, nahm dieser den Antrag zurück. Das AG hat den Angeklagten sodann verurteilt.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte die Verteidigerin u.a. die Festsetzung einer Verfahrensgebühr gem. Nr. 4143 VV für ihre Tätigkeit im Adhäsionsverfahren. Die Rechtspflegerin beim AG hat die Festsetzung dieser Gebühr mit der Begründung abgelehnt, Rechtsanwältin Sch. sei dem Angeklagten im Adhäsionsverfahren nicht beigeordnet worden. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats v. 29.6.2005 (2 Ws 254/05 [= AGS 2005, 436]) angeordnet, dass der Beschwerdeführerin die von ihr beantragte Gebühr Nr. 4143 VV zuzüglich Mehrwertsteuer zu erstatten sei. Zugleich hat das LG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die weitere Beschwerde zugelassen. Daraufhin hat der Bezirksrevisor beim LG weitere Beschwerde eingelegt.
2 Aus den Gründen
Die weitere Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Pflichtverteidigerin steht mangels Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe kein Anspruch auf Erstattung der Gebühr Nr. 4143 VV für das Adhäsionsverfahren gegen die Staatskasse zu.
1. Die Frage, ob sich die Pflichtverteidigung auf die Vertretung im Adhäsionsverfahren erstreckt oder ob insoweit eine Beiordnung des Pflichtverteidigers im Wege der Prozesskostenhilfe erforderlich ist, ist in Rspr. und Lit. umstritten. Der Senat hat in der bereits genannten Entscheidung v. 29.6.2005 (2 Ws 254/05 [= AGS 2005, 436]) die Auffassung vertreten, die Beiordnung als Pflichtverteidiger gem. § 140 StPO erstrecke sich auch auf das Adhäsionsverfahren. Einer besonderen Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 StPO bedürfe es nicht. Diese Auffassung wird von einigen Oberlandesgerichten und weitgehend von der Lit. geteilt (vgl. OLG Schleswig NStZ 1998, 101 [= AGS 1998, 6]; OLG Hamm StraFo 2001, 361 [= AGS 2002, 110]; OLG Köln StraFo 2005, 394 [= AGS 2005, 436]; OLG Hamburg [1. Strafsenat] wistra 2006, 37; OLG Dresden AGS 2007, 404; OLG Rostock StV 2011, 656 m.w.N. [= AGS 2011, 540]; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Rn 5 zu § 140; Laufhütte, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 140 Rn 4; Laufhütte/Willnow, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 140 Rn 4; Burhoff, RVG, 3. Aufl., Rn 19 zu Nr. 4143 VV; Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., Nr. 4143, 4144 VV Rn 5).
Diese Auffassung stützt sich vor allem auf die enge tatsächliche und rechtliche Verbindung zwischen der Verteidigung des Angeklagten gegen die ihm vorgeworfene Straftat und der Abwehr der auf diese Straftat gestützten zivilrechtlichen Ersatzansprüche des Verletzten. Die Trennung zwischen der Tätigkeit des Pflichtverteidigers und derjenigen des anwaltlichen Vertreters im Adhäsionsverfahren sei nicht möglich. Es sei praktisch keine Tätigkeit des Pflichtverteidigers für den Angeklagten denkbar, die nicht zugleich zumindest auch Einfluss auf die Höhe des im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruchs habe. Ob dieser Gesichtspunkt die Auffassung trägt, hat der BGH in der Entscheidung v. 30.3.2001 (StraFo 2001, 306) offengelassen. Des Weiteren wird angeführt, die Beiordnung des Pflichtverteidigers erstrecke sich auf das gesamte Strafverfahren und damit auch auf das Adhäsionsverfahren. Das Gegenteil habe der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmen müssen. Zudem rechtfertige sich die Differenzierung zwischen dem Beistand des Nebenklägers und dem Pflichtverteidiger daraus, dass die Staatskasse auf Seiten des Nebenklägers nicht unabhängig von der Erfolgsaussicht mit Gebührenansprüchen für überhöhte Ersatzansprüche belastet werden solle. Dieses Missbrauchsrisiko bestehe bei der Abwehr der Ansprüche durch den Pflichtverteidiger aber nicht. Schließlich wird eine weitere Bestätigung in der Gesetzesbegründung zu Nr. 4143 VV gesehen. Dort heißt es, der Pflichtverteidiger solle die Gebühr ebenfalls erhalten. Das entspreche dem geltenden Recht (BT-Drucks 15/1971, S. 228).
2. Der Senat hält diese Argumente nicht für ausreichend, um entgegen dem Wortlaut von § 404 Abs. 5 S. 1 u. 2 StPO zwischen dem Nebenklagevertreter und dem Pflichtverteidiger bzw. dem Pflichtverteidiger und dem Wahlverteidiger zu differenzieren. Er schließt sich deshalb unter ausdrücklicher Aufgabe seiner ...