Leitsatz
- Das Einverständnis der Parteien mit der gerichtlichen Streitwertfestsetzung führt grundsätzlich nicht zum Verlust des Beschwerderechts.
- Seit der Neufassung von § 42 GKG durch das 2. KostRMoG unterliegt die Wertfestsetzung für auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Ansprüche, die aus der Verletzung oder Tötung eines Menschen resultieren, hinsichtlich des Gebührenstreitwerts der Auffangregelung des § 9 ZPO.
OLG Koblenz, Beschl. v. 13.4.2016 – 5 W 177/16
1 Aus den Gründen
1. Die Beschwerde ist nach § 68 Abs. 1 S. 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegte Beschwerde ist ausdrücklich als solche "im Namen der Klägerin" bezeichnet und daher aufgrund ihrer Zielrichtung auf Herabsetzung des Streitwertes eröffnet. Der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes gem. § 567 Abs. 2 ZPO ist erreicht, da die begehrte Herabsetzung die Kostenbelastung der Klägerin um mehr als 200,00 EUR vermindern würde.
Ein Rechtsmittelverzicht bzw. ein sonstiger Wegfall der Beschwerdeberechtigung der Klägerin kommen nicht in Betracht. Eine Verzichtserklärung der Klägerin ist nicht ersichtlich. Sie kann auch nicht dem von den Beklagten angeführten gerichtlichen und außergerichtlichen Verhalten der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten entnommen werden. Abgesehen davon, dass die Klägerin keine ausdrückliche Zustimmung zur vom LG beabsichtigten Wertfestsetzung erklärt hat, sondern ihr hierzu lediglich rechtliches Gehör gewährt wurde, führt ein Einverständnis mit der Festsetzung grundsätzlich nicht zum Verlust des Beschwerderechts (vgl. für die hiesige Konstellation insbesondere OLG Frankfurt NJW 2013, 3381 [= AGS 2013, 337]; s. ferner OLG Karlsruhe MDR 2010, 404; Schneider, in: Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 14. Aufl., 2014, Rn 247 ff.; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl., 2015, § 68 GKG Rn 10).
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Wertfestsetzung für die mit dem Klageantrag begehrte Verurteilung zu einer monatlich zu erbringenden Schadensersatzrente richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO.
Seit der Neufassung von § 42 GKG durch das 2. KostRMoG aus dem Jahr 2013 unterliegt die Wertfestsetzung für auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Ansprüche, die aus der Verletzung oder Tötung eines Menschen resultieren, hinsichtlich des Gebührenstreitwerts wegen des Wegfalls der früheren Bestimmung in § 42 Abs. 1 GKG a.F. nicht mehr der Spezialregelung in § 42 GKG (vgl. nur Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer, GKG-FamGKG-JVEG, 3. Aufl., 2014, § 42 GKG Rn 1; Meyer, a.a.O., § 42 GKG Rn 1 und 3; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 9 ZPO Rn 6). Vielmehr gilt die Auffangregelung des § 9 ZPO. Der danach maßgebende dreieinhalbfache Jahreswert der begehrten Monatsrente von 30.057,60 EUR entspricht dem nunmehr festgesetzten Betrag.
Mitgeteilt von RiOLG Dr. Alexander Walter, Koblenz
2 Anmerkung
Bis zum 31.7.2013 galt nach § 42 Abs. 1 GKG a.F. der Fünfjahreswert. Bei Einreichung der Klage fällige Beträge waren hinzuzurechnen (§ 42 Abs. 4 GKG a.F.).
Seit dem 1.8.2013 enthält das GKG keine spezielle Regelung mehr. Es gilt nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO der dreieinhalbfache Jahreswert. Bei Einreichung der Klage fällige Beträge werden nach wie vor hinzugerechnet hinzuzurechnen (§ 42 Abs. 3 GKG n.F.).
Zu beachten ist, dass der Unterhalt nach § 843 Abs. 2 i.V.m. § 760 Abs. 1 S. 1 BGB (§ 844 Abs. 2 BGB) jeweils für drei Monate vorauszuzahlen ist. Dies ist für die Berechnung der bei Einreichung fälligen Beträge von Bedeutung.
Im Falle einer außergerichtlichen Vertretung gelten für den Anwalt nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG grundsätzlich dieselben Bewertungsvorschriften. Auch hier werden die zukünftigen Forderungen einerseits und die fälligen Beträge andererseits bewertet und zusammengerechnet (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).
Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass es außergerichtlich keine Klageerhebung gibt, so dass ein solcher Zeitpunkt nicht für die Berechnung der fälligen Beträge herangezogen werden kann.
Häufig wird hier lediglich auf die fälligen Beträge bei Auftragserteilung oder bei Bezifferung abgestellt. Dies ist jedoch unzutreffend. Bei außergerichtlichen Vertretungen gibt es keine Zäsur für fällige Beträge wie in einem gerichtlichen Verfahren. Hier sind vielmehr sämtliche, während der außergerichtlichen Vertretung fällig werdenden Beträge zu berücksichtigen und den bei Abschluss der Angelegenheit zukünftigen Beträgen hinzuzurechnen.
Norbert Schneider
AGS 2/2017, S. 83 - 84