Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.
Entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin sind die Verfahrens- und die Terminsgebühr der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Einspruch gegen das Versäumnisurteil nicht noch einmal entstanden. Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind für ihre Vertretung der Klägerin im Rechtsstreit insgesamt eine 1,3-Verfahrens- und eine 1,2-Terminsgebühr nach dem Gebührenstreitwert von Klage und Widerklage (1.670.697,35 EUR) entstanden. Da die Höhe dieser Gebühren nebst Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) und Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) den mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 19.1.2009 festgesetzten Betrag von 13.831,13 EUR übersteigt, ist der Differenzbetrag von 5.369,52 EUR zugunsten der Klägerin gegen die Beklagte als weiterer Erstattungsbetrag festzusetzten.
1) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit und demselben prozessualen Rechtszug grundsätzlich nur einmal verlangen, § 15 Abs. 2 RVG. Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er gem. § 15 Abs. 5 S. 1 RVG nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Anders verhält es sich nach der Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nur dann, wenn der Rechtsanwalt beauftragt wird, nachdem der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt war. In diesem Fall gilt gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und im RVG bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Voraussetzung für die Anwendung von § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist, dass der frühere Auftrag erledigt ist und dem Rechtsanwalt nach Erledigung ein weiterer Auftrag erteilt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – VII ZB 69/05, NJW 2006, 1525 [= AGS 2006, 323]; Beschl. v. 11.8.2010 – XII ZB 60/08, MDR 2010, 1218 [= AGS 2010, 477]; Senat, Beschl. v. 26.3.2012 – 6 W 19/12; BayVGH, Beschl. v. 8.12.2014 – 15 M 14.2529, NJW 2015, 648 [= AGS 2015, 62]). Ohne das Erfordernis der Erteilung eines neuen Auftrages findet § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nach S. 3 der Vorschrift in der seit dem 1.11.2012 geltenden – vorliegend gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nicht heranzuziehenden – Fassung des Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften v. 19.10.2012 (KapMuGRefG, BGBl I, S. 2182) dann entsprechende Anwendung, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Abs. 3 S. 1 KapMuG der Kläger einen Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
1.1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG liegen im Streitfall nicht vor.
Zwar ist es mit Bewirken der Zustellung des Versäumnisurteils zu einer Erledigung des Auftrags i.S.d. Fälligkeit der Anwaltsvergütung gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG gekommen, es fehlt aber an der Erteilung eines neuen Auftrages. Den Rechtsanwälten ist nach Einspruch gegen das Versäumnisurteil nicht ein neuer Auftrag erteilt worden. Die Klägerin macht nicht geltend, dass das Anwaltsmandat ihrer Prozessbevollmächtigten niedergelegt oder der Auftrag gekündigt wurde. Ein neuer Anwaltsauftrag wäre kostenerstattungsrechtlich auch nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich anzusehen, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Wird gegen ein Versäumnisurteil Einspruch erhoben, so wird dasselbe Verfahren fortgesetzt, es liegt gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit vor (vgl. nur KG, Beschl. v. 15.8.2008 – 1 W 398/08, JurBüro 2008, 647 [= AGS 2008, 591]; Hartmann, KostG, 46. Aufl., § 15 RVG, Rn 32 "Einspruch", Rn 70 "Versäumnisurteil").
1.2) Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist nicht gerechtfertigt.
Bei der Regelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.2010, a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 8.12.2014, a.a.O.; OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.1.2011 – 13 WF 166/10, FamRZ 2011, 665 [= AGS 2011, 125]; Hartmann, KostG, a.a.O., § 15 Rn 97). Soweit der BGH vor der Gesetzesänderung durch das KapMuGRefG entschieden hat, dass § 15 Abs. 5 S. 2 RVG für den Fall der Anfechtung eines Prozessvergleichs eine planwidrige Regelungslücke aufweist und deshalb insoweit analog anzuwenden ist, hat der Gesetzgeber diese Lücke mit der Einfügung des Satzes 3 in § 15 Abs. 2 RVG geschlossen. Die Gesetzesänderung durch Anordnung entsprechender Anwendung von § 15 Abs. 5 S. 2 RVG auf die im Gesetz genannten besonderen Fälle verdeutlicht, dass der Gesetzgeber das Erfordernis der Erteilung eines neuen Auftrages allein für jene Fälle als entbehrlich angesehen hat.
Eine planwidrige Regelungslücke der Vorschrift des § 15 RVG für den Fall, dass gegen ein Versäumnisurteil erst nach Ablauf von...