Leitsatz
Wird ein Scheidungsantrag zurückgenommen und wird später erneut die Scheidung beantragt, liegen zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vor, so dass die Verfahrensbevollmächtigten ihre Vergütung jeweils gesondert erhalten. Es kommt nicht darauf an, ob seit Rücknahme des ersten Scheidungsantrags bis zur Einreichung des neuen Scheidungsantrags mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.12.2016 – 6 WF 248/16
1 Sachverhalt
Die im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Antragstellervertreterin macht in dem hiesigen Scheidungsverfahren die Festsetzung einer aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gem. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG geltend.
Bereits im Jahr 2014 hatte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in einem Verfahren gleichen Rubrums (5d F 108/14) für ihre Mandantin mit Schreiben v. 1.4.2014 einen Scheidungsantrag gestellt und darin angegeben, die Beteiligten lebten seit Dezember 2012 voneinander getrennt, nachdem die Antragstellerin in Trennungsabsicht von der Türkei nach Deutschland verzogen sei. Nachdem der in der Türkei lebende Antragsgegner mit einem undatierten Schreiben entgegnet hatte, die Antragstellerin sei erst am 13.2.2014 nach Deutschland verzogen, um sich scheiden zu lassen, nahm die Antragstellerin ihren Scheidungsantrag zurück; ihre Bevollmächtigte erhielt in der Folge eine Verfahrenskostenhilfevergütung aus der Staatskasse.
Im hiesigen Verfahren macht die Antragstellerin im Rahmen ihres Scheidungsantrages v. 13.1.2015 geltend, sie lebe seit dem Auszug v. 13.2.2014 von dem Antragsgegner getrennt. Das Verfahren ruht derzeit aufgrund eines Versöhnungsversuchs.
Mit Beschluss des FamG wurde die der Antragstellervertreterin aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung auf 413,64 EUR festgesetzt.
Hiergegen hatte die Landeskasse Erinnerung eingelegt, mit der sie geltend macht, der Gebührenfestsetzung stünde die Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 1 u. 2 RVG entgegen, da die Antragstellervertreterin binnen eines Zeitraums von weniger als zwei Jahren in der gleichen Angelegenheit tätig gewesen sei.
Das FamG hat die Erinnerung zurückgewiesen.
Die hiergegen erhobene Beschwerde der Landeskasse hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG), über die der Senat gern. § 568 S. 2 ZPO in der im GVG vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 1 RVG steht der Gebührenfestsetzung nicht entgegen. Bei der Vertretung der Antragstellerin in dem Scheidungsverfahren vor dem AG mit dem Az. 5d F 108/14 einerseits und dem Scheidungsverfahren 5d F 19/15 andererseits handelt es sich gebührenrechtlich um unterschiedliche Angelegenheiten.
Nach der Rspr. des BGH ist die Frage, ob von einer oder von mehreren gebührenrechtlichen Angelegenheiten auszugehen ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände zu beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrages maßgebend ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (anstatt vieler BGH NJW 2011, 3167).
Dahinstehen kann insoweit die Frage, ob formal selbstständige Klage-, bzw. Antragsverfahren überhaupt kostenrechtlich als dieselbe Angelegenheit angesehen werden können (bejahend etwa das Thüringer LSG, Entscheidung v. 12.1.2016 – L 6 SF 1045/15 B, juris; verneinend Schneider, NZFam 2016, 902). Jedenfalls hier gebieten es die Besonderheiten des Einzelfalles, von unterschiedlichen Angelegenheiten auszugehen, da es an einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit (hierzu Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 15 RVG Rn 9 ff.) fehlt. Auch stellt die Beauftragung zum Scheidungsantrag v. 13.1. 2015 kein weiteres Tätigwerden i.S.d. § 15 Abs. 5 S. 1 RVG dar, sondern einen gänzlich neuen Auftrag. Das mit Antrag v. 13.1.2015 eingeleitete Scheidungsverfahren wurde nicht nur unter einem neuen Aktenzeichen (5d F 19/15) geführt, sondern auch zu einem Zeitpunkt anhängig gemacht, in dem das vormals unter dem Az. 5d F 108/14 betriebene Scheidungsverfahren nach Rücknahme des Scheidungsantrages beendet war. Bei dieser Abfolge der Ereignisse liegt nach der zutreffenden Bewertung des Erstgerichts dem neuen Scheidungsantrag ein neuer Auftrag zugrunde. Auch die Entscheidungsgrundlage hat sich maßgeblich geändert. Im Verfahren 5d F 108/14 wurde von Antragstellerseite noch der streitige Vortrag gehalten, die Trennung sei im Dezember 2012 erfolgt, wohingegen der Antragsgegner von einer Trennung zum 13.2.2014 ausging. Da Härtegründe i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB nicht vorgetragen wurden, hätte es bei dieser Sachlage einer streitigen Entscheidung über den Ablauf des Trennungsjahres bedurft. Demgegenü...